E-Lkw:Nachfrage ohne Angebot

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Der AXL von Scania ist ein Elektro-Lkw, der autonom fährt. (Foto: oh)

Die Industrieallianz drängt die EU-Kommission zu Verkaufsquoten für emissionsfreie Lkw.

Von Markus Balser, Berlin

Im Netz und den Hochglanzprospekten ist auch die Welt der Lkw-Hersteller schon schön grün. Flüsterleise und emissionsfrei. "Aus einer Vision wird Realität", verspricht etwa der MAN-Konzern, einer der ganz Großen der Branche. MAN hat etwa den eTGM entwickelt, einen Elektro-Laster, der in Städten eingesetzt werden soll und auf der Internetseite des Konzerns auch schon im Einsatz ist. Doch noch fährt er als Prototyp durchs Land. Zu kaufen gibt es nur ganz wenige Exemplare emissionsfreier Lkw.

In der Wirtschaft löst die zögerliche Umstellung der Industrie auf emissionsfreie Nutzfahrzeuge gerade erheblichen Ärger aus. Rund 20 große Handels- und Logistikkonzerne fordern nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein viel rigoroseres Vorgehen der Europäischen Kommission und die Einführung von Verkaufsquoten für emissionsfreie Lkw. In Europa gebe es trotz wachsender Nachfrage bislang praktisch kein entsprechendes Angebot, beschweren sich Konzerne wie Nestlé, Rewe, die österreichische Post oder Unilever. Das zwinge die Konzerne dazu, selbst Lkw zu entwickeln, oder eigene Pilotprojekte zu initiieren, heißt es in einem Brandbrief an die designierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihren designierten Vizepräsidenten Frans Timmermans.

Dem Straßenverkehr kommt bei Europas Klimazielen eine entscheidende Bedeutung zu. Europa klimaneutral zu machen sei nicht nur eine moralische Pflicht, es sichere die Zukunft der Europäer und verbessere ihr Leben, schreiben die Großkonzerne. Ohne einen Umbau der Mobilität werde dies jedoch nicht gelingen. Die Lkw-Emissionen stiegen, statt zu fallen. Sie stünden heute für 22 Prozent der Belastungen aus dem Straßenverkehr. Ändere sich nichts, stiegen sie bis 2050 um weitere 17 Prozent, warnen die Konzerne. Dabei soll Europa dann eigentlich emissionsfrei sein.

Die Klimadebatte entzweit damit auch die Wirtschaft. Die Logistikbranche fordert nun knallharte Vorgaben für Lkw-Hersteller. Schon in den ersten 100 Tagen müsse die neue Kommission eine neue Strategie für den Transportsektor entwickeln. Dazu sollten verbindliche Verkaufsquoten für emissionsfreie Lkw und Kleintransporter bis 2025 und 2030 gehören. Zudem müsse ein europäischer Investmentfonds den Aufbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur unterstützen. Die Nutzer der Lkw, wie der Lebensmittelkonzern Nestlé, erwarten ohne Vorgaben keinen Wandel: "Wir sehen bislang nur eine sehr begrenzte Entwicklung emissionsfreier Lkw", sagt Robin Praillet vom Verbindungsbüro des Nestlé-Konzerns in Brüssel. Verkaufsquoten könnten das aber bald ändern, hofft Praillet.

Im Juni hatte die Kommission Herstellern wie Daimler, MAN oder Scania erstmals konkrete Ziele für die Senkung des CO2-Ausstoßes vorgeschrieben. Die Kommission schreibt vor, dass der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß neuer Fahrzeuge von 2030 an um 30 Prozent niedriger liegen muss als im Jahr 2019. Für 2025 gilt ein Zwischenziel von 15 Prozent. Die Branche hatte sich gegen noch strengere Ziele monatelang gewehrt. Hersteller wie MAN bieten zwar inzwischen emissionsfreie Transporter an. Lkw gibt es bislang nur in Ausnahmefällen. Bei MAN etwa steht die erste Kleinserie von weniger als 100 Fahrzeugen kurz vor dem Start. Zu den Problemen gehört allerdings, dass sie noch deutlich teurer sind, als fossil betriebene Lkw. Die Rede ist in der Branche von einem Vielfachen des Verkaufspreises herkömmlicher Lkw.

Beim Weltklimagipfel in den kommenden zwei Wochen in Madrid wird auch darüber verhandelt, ob einzelne Regionen beim Klimaschutz vorangehen. Weil große Verschmutzer wie China auf sich warten lassen, ruhen die Hoffnungen der Umweltschützer dabei auf der Europäischen Union. Die designierte Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte signalisiert, dass sie den Klimakurs der Kommission verschärft.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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