Drucker-Streik:"Die große Schlacht"

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Die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) verhandeln seit September über einen Tarifvertrag. Auch die Druckerei des Süddeutschen Verlags war bereits von Streiks betroffen. (Foto: Daniel Hofer)

Die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitgeber hantieren beide mit Unterstellungen. Warum der Tarifkonflikt in der Druckindustrie so lange dauert.

Von Detlef Esslinger, München

"Liebe Leserinnen und Leser", so fängt ein kurzer Text an, der derzeit immer wieder auf Seite 1 der SZ steht. Er enthält den Hinweis, dass in einer der Druckereien, in denen die Zeitung hergestellt wird, erneut gestreikt wird und die gedruckte Ausgabe daher dünner und anders sortiert als gewohnt ist. Ein Ende des Konflikts ist nicht absehbar.

Die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) verhandeln seit September. Die Angelegenheit zieht sich nicht nur, weil beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen in der Sache haben - sondern auch, weil sie uneins sind, über welche Sache sie eigentlich zu reden haben. Nur über den Lohn? Sönke Boyens, Verleger der Dithmarscher Landeszeitung in Heide und Verhandlungsführer des BVDM, sagt: "Wir können gerne über den Lohn sprechen, aber wir haben auch noch ein anderes Thema." Verdi fordert fünf Prozent mehr Geld, für zwölf Monate; die Arbeitgeber bieten derzeit 3,8 Prozent plus 400 Euro extra für 30 Monate. Sie verlangen dafür jedoch einen neuen Manteltarifvertrag, also neue Regeln zu Arbeitszeit, Zuschlägen, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Verdi hingegen will an diesem Mantel wenig ändern und bereden. Boyens sagt: "Das macht die Sache natürlich schwierig."

Der Manteltarifvertrag enthält im Westen die 35-Stunden-Woche; die Arbeitgeber würden gerne auf 38 Stunden (wie bereits im Osten) erhöhen. Er enthält "Antrittsgebühren" für Sonn- und Feiertage sowie Zuschläge, die - je nach Tag und Uhrzeit - den Stundenlohn um 25 bis 170 Prozent erhöhen. Das Weihnachtsgeld beträgt 95 Prozent eines Monatslohns, das Urlaubsgeld beläuft sich auf 70 Prozent. Die Arbeitgeber finden, dies alles seien Regelungen aus goldenen Zeiten. Heute indes sinke die Zahl der Betriebe und der Beschäftigten ebenso wie die Produktivität; das einzige, was steige: Papierpreise und Insolvenzen. Der Verband will Zuschläge, Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen; wenn auch nur für künftige Mitarbeiter. Verdi lehnt dies ab. Verhandlungsführer Frank Werneke ist bereits in den Weihnachtsurlaub abgeflogen, sein für die Druckindustrie zuständiger Bereichsleiter Andreas Fröhlich sagt am Freitag: "Die Zeitungsdruckereien sind durchaus in der Lage, diese Leistungen zu bezahlen. Sie sind nicht in einer Notlage." Fröhlich sieht zwar, dass in den Druckereien rationalisiert wird, dass es Schließungen und Auslagerungen gibt - aber nach seinen Angaben nicht wegen schlechter Geschäfte, sondern "um die Rendite nicht zu gefährden".

Wenn in einem Tarifkonflikt solche Äußerungen fallen, ist es immer ein schlechtes Zeichen - weil sie zeigen, dass die Kontrahenten unterschiedliche Blicke auf die Realität pflegen. Doch auch die Arbeitgeber hantieren mit Unterstellungen. In einem offenen Brief warf ihr Verhandlungsführer Boyens vor zwei Wochen dem Gewerkschafter Werneke vor, die bisherigen Verhandlungen mit dem Satz beendet zu haben, nun müsse die "große Schlacht beginnen". Dem Mann gehe es darum, "sich vor dem Verdi-Bundeskongress in einem strahlenden, aber auch künstlichen Licht darstellen zu wollen". Werneke, bisher Verdi-Vize, soll auf dem Kongress im September 2019 an die Spitze der Gewerkschaft rücken.

In den Weihnachtsferien macht die Schlacht wohl Pause; Urabstimmung und unbefristete Streiks stehen nach Angaben von Verdi-Bereichsleiter Fröhlich ohnehin nicht zur Debatte. Neue Gespräche zeichnen sich frühestens für Mitte Januar ab.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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