Doppelspitze abgeschafft:EADS fliegt im Kreis

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Beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern findet das große Stühlerücken statt. Doch am starken politischen Einfluss auf das Unternehmen ändert sich nichts.

Jens Flottau

Es gibt eine Regel bei großen Unternehmen, die Folgendes besagt: Während ein Sanierungsprogramm läuft oder man sich gerade für ein Projekt von großer Bedeutung bewirbt, sollte man das Top-Management nicht austauschen. Ist die Sanierung erfolgreich oder der Großauftrag gewonnen, kann man immer noch über Änderungen nachdenken.

Neu verteilte Rollen: Airbus-COO Fabrice Brégier, EADS-Chef Louis Gallois, Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde, Co-Präsident und EADS- Anteilseigner Arnaud Lagardère, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verwaltungsrats-vorsitzender Rüdiger Grube, Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche und Airbus-CEO Thomas Enders. (Foto: Foto: afp)

Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS mit seiner wichtigsten Tochtergesellschaft Airbus schert sich in seinem Bemühen um nationale Ausgewogenheit offenbar nicht um solche Details. Louis Gallois tritt mitten während des Sanierungsprogrammes "Power 8" als Airbus-Chef ab, um künftig als alleiniger EADS-Chef zu arbeiten. Als dieser muss er sich künftig auch in die Verteidigungs- und Raumfahrtsparte einarbeiten - ziemliches Neuland für ihn.

Neuland für beide Seiten

Thomas Enders, bisher als EADS Co-Chef für das Verteidigungsgeschäft zuständig, wechselt zu Airbus - wenige Monate bevor die US-Luftwaffe mit Tankflugzeugen den bislang größten Rüstungsauftrag vergeben wird. Beide sind erfahrene Manager: Gallois kennt sich gut in der Zivilluftfahrt aus, Enders beim Militärischen. In ihren neuen Jobs müssen sie nun aber erst einmal lernen und (unternehmens-) kulturelle Barrieren überwinden.

Die zweijährige Verspätung beim Airbus A380 und die zahlreichen Neuentwürfe des kleineren Langstreckenjets A350 haben Airbus viel Zeit und noch viel mehr Geld gekostet. Die Pannen beim A380 führen bis 2010 zu Gewinnausfällen von rund 4,8 Milliarden Euro, die Entwicklungskosten für den A350 sind von unter fünf auf knapp zwölf Milliarden in die Höhe geschnellt.

Gegen das Sanierungsprogramm Power 8, das die jährlichen Kosten um 2,1 Milliarden Euro senken soll, protestieren weiterhin französische und deutsche Gewerkschaften. Unter anderem sollen 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Gallois hat sich dank seiner behutsamen persönlichen Art das nötige Grundvertrauen erworben. Enders hingegen wird bei Airbus auf grundsätzliches Misstrauen stoßen, das es abzubauen gilt. Diese Haltung der Belegschaft hat mit Enders' manchmal schroffen und sehr direkten Art zu tun. Außerdem galt sein Interesse am zivilen Flugzeugbau bislang als sehr überschaubar.

Die Skepsis hängt aber auch damit zusammen, dass die EADS bislang die ungeliebte Holding in Paris und München war, mit denen man in Toulouse und Hamburg möglichst wenig zu tun haben wollte. Enders gilt den Angestellten als Teil dieser Machtstrukturen.

Dass das Verteidigungs- mit dem Zivilgeschäft nicht viel zu tun hat und in vielen Aspekten nach komplett anderen Regeln funktioniert, wird auch Louis Gallois bald feststellen. Nachdem sich künftig der Kollege Enders um das Tagesgeschäft bei Airbus kümmert, muss Gallois sein Augenmerk verstärkt auf die übrigen Konzernbereiche legen.

Wer baut die Tankflugzeuge für die US-Streitkräfte?

Der 63jährige ehemalige Chef des Triebwerksherstellers Snecma und der französischen Staatsbahn SNCF hat es künftig mit amerikanischen Vier-Sterne-Generälen und den Einkäufern im Pentagon zu tun. Gemeinsam mit seinen neuen Partnern vom amerikanischen Rüstungskonzern Northrop Grumman muss Gallois versuchen, das Pentagon davon zu überzeugen, mehrere Hundert Tankflugzeuge bei dem amerikanisch-europäischen Konsortium zu bestellen, statt bei Boeing.

Noch vor wenigen Jahren galt dies als ein von vorneherein aussichtloses Unterfangen. Doch gerade unter dem "Major der Reserve" Enders hat die EADS massiv in den Aufbau ihrer Nordamerika-Organisation mit Sitz in Washington und den Aufbau von Beziehungen investiert.

Mittlerweile scheint sich unter Insidern in Washington der Eindruck zu erhärten, dass der Auftrag zwischen Boeing und Northrop Grumman/EADS geteilt werden könnte, wenn keine gravierenden Fehler mehr passieren.

Bislang gleichgestellter Gallois wird Enders' Vorgesetzer

Die stark politisch geprägte Einigung bringt es mit sich, dass Enders den ihm bislang hierarchisch gleichgestellten Gallois nun zum direkten Vorgesetzten bekommt. Der nach dem überforderten Gustav Humbert zweite deutsche Airbus-Chef ist, anders als Gallois, auch nicht mehr Mitglied des EADS-Verwaltungsrates. Die Anteilseigner haben sich auf entsprechende Satzungsänderungen für das Gremium verständigt.

Problematisch ist auch, dass Unternehmenskreisen zufolge Enders bis zuletzt stark darauf gehofft hat, selbst alleiniger EADS-Chef zu werden und somit die umgekehrten Machtverhältnisse durchzusetzen.

Bei Airbus bekommt er es mit dem operativen Chef Fabrice Brégier zu tun, den Gallois einst als eine Art Kronprinzen zu dem Flugzeughersteller geholt hat. Doch mit dem erst 48-jährigen Enders ist dem ehrgeizigen Brégier der Weg an die Airbus-Spitze bis auf Weiteres verbaut.

Vielleicht aber löst sich in fünf Jahren alles in Wohlgefallen auf: Dann nämlich, so hieß es, werde "in Betracht gezogen", auf den diversen Posten die Nationalitäten zu wechseln. Gallois dürfte spätestens dann in Pension gehen, Enders doch noch EADS-Chef werden und Brégier bei Airbus das Sagen bekommen.

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