DLD-Konferenz:Fabelhaft selten

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Internet-Start-ups, die eine Milliarde Euro oder mehr wert sind, gibt es nur wenige in Deutschland.

Von Caspar Busse, München

Es ist ein Fabelwesen: Das Einhorn sieht aus wie eine Mischung aus Pferd und Ziege und wurde schon in der Antike beschrieben. Und es gibt sie auch noch heute: In der digitalen Welt sind Einhörner - englisch Unicorns - fabelhafte Unternehmen, nämlich Internet-Start-ups, die mehr als eine Milliarde Euro oder Dollar wert sind. Im Silicon Valley gibt es viele solcher Senkrechtstarter, von der Taxi-App Uber oder der Mitwohnzentrale Airbnb ganz zu schweigen, die bereits viele Milliarden wert sind. Aber in Europa und Deutschland? Hier muss man sie suchen.

"Es gibt keinen digitalen Erfolg ohne Skaleneffekte", sagt Frédéric Mazzella, Gründer der französischen Online-Mitfahrzentrale Blabla Cars, auf der Digitalkonferenz DLD. Gerade im Online-Geschäft sei die Größe des Marktes entscheidend, und da hätten Unternehmen aus den USA oder China eben klare Vorteile. Europa mit seinen vielen Einzelstaaten und den immer wieder unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen sei dagegen wie "ein Hürdenlauf", während die Konkurrenz aus China oder den USA davon sprinten kann und dann mit ihren Online-Plattformen und einem großen Heimatmarkt im Rücken international expandiert.

Genau deshalb sei es so wichtig, einen einheitlichen europäischen Digitalmarkt zu schaffen, sagte René Obermann, der für das amerikanische Private-Equity-Unternehmen Warburg Pincus arbeitet und bis 2013 Vorstandvorsitzender der Deutschen Telekom war. "Europa muss zu einem aktiven Motor werden", sagt er. Es müsse einen Markt für alle geben, auch mit einer starken EU-Kommission, die die Macht der übermächtigen und monopolistischen US-Konzernen wie Google, Facebook, Apple oder Amazon beschränken kann. Am Wochenende hatte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel ein starkes Europa gefordert, das sich im digitalen Wettbewerb gegen China und die USA behaupten soll.

In Deutschland gibt es derzeit nur eine Handvoll Unicorns, dazu gehört neuerdings auch die Gebrauchtwagen-Plattform Auto 1. Erst in der vergangenen Woche hatte der japanische Technologiekonzern Software fast eine halbe Milliarde Euro in die noch junge Berliner Firma investiert, die Bewertung liegt damit bei fast drei Milliarden Euro. Deutschland sei als Autoland der perfekte Standort für die Firma, sagt Vorstand Christopher Muhr in München. Vor fünf Jahren hatte die Firma erst 80 Mitarbeiter, heute sind 3000.

Zalando veranstaltet in Berlin die Modemesse Bread & Butter: Der Online-Händler ist heute einer der größten in Europa. (Foto: Jens Kalaene/picture alliance)

"Im Moment sind wir auf Autos beschränkt", sagt Muhr, an neuen Produkten und Geschäften werde aber gearbeitet. Eine Expansion in die USA stehe derzeit aber nicht zur Diskussion. Aber Angst vor dem übermächtigen US-Konzern, etwa Amazon oder Google, hat er nicht: "Diese Leute können ja auch nicht alles machen." Der Markt sei groß genug.

Als eines der erfolgreichsten deutschen Online-Unternehmen gilt Zalando. Der Modehändler aus Berlin, gegründet 2008 und europaweit aktiv, ist seit 2014 an der Börse und inzwischen zwölf Milliarden Euro wert. Europa mit seinen vielen Einzelmärkten sei "eine natürliche Art von Nachteil", sagt Gründer Robert Gentz. Er kann dem zersplitterten Europa sogar etwas Positives abgewinnen: So stehe man immer unter Druck, neue Lösungen zu finden und nicht nachzulassen. Zalando schaue auch immer wieder nach China, um vom Markt dort zu lernen, eine Expansion in das Land sei aber nicht vorgesehen.

Auf Milliardenbewertungen bringen es neben Auto 1 und Zalando auch der Essenslieferant Delivery Hero, der Kochboxen-Anbieter Hello Fresh, die Softwarefirma Teamviewer, das Hotelportal Trivago, das Busunternehmen Flixbus, die Onlinemöbelfirma Home 24 oder die Beteiligungsfirma Rocket Internet. Die Kunst sei es, diese Firmen früh zu finden, sagt Martin Weber, er ist Partner bei der Beteiligungsfirma HV Holtzbrinck Ventures. "Wir sind nah an den Gründern", sagt er. HV wurde bereits vor 17 Jahren gegründet und hat sich oft sehr früh an gleich mehreren dieser Einhorn-Firmen beteiligt, etwa an Hello Fresh, Flixbus, Delivery Hero, Zalando und auch an Rocket Internet.

Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro bezeichnet sich HV jetzt als größter Venture Capital Investor Deutschlands. Am Montag erst wurde bekannt gegeben, dass ein neuer Fonds mehr als 300 Millionen Euro eingesammelt hat. Ursprünglich war HV vom Stuttgarter Medienunternehmen Holtzbrinck gegründet worden, seit 2010 agiert man aber weitgehend unabhängig. Nur noch gut zehn Prozent des Kapitals stammt von Holtzbrinck, der Rest von anderen großen Investoren. Zur Verfügung gestellt werden von HV Holtzbrinck Ventures Summen für Beteiligungen zwischen 500 000 Euro und 40 Millionen Euro.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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