Eine Debatte ohne Hitler ist keine echte Debatte. "Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an", so hat Mike Godwin Anfang der 90er eine These formuliert, die Teil der Popkultur wurde. Der Wert Eins steht dafür, dass das Ereignis sicher eintritt. Godwin war damals Berater der Bürgerrechtsgruppe Electronic Frontier Foundation. Seitdem geistert sein Satz als nicht ganz ernst gemeintes "Godwin's Law" durchs Netz. Ein amerikanischer Blogger liefert nun Zahlen, die darauf hindeuten, dass Godwin's Law mehr als ein Witz ist.
Der Analyst hinter dem Blog curiousgnu.com hat einen Datensatz mit 4,6 Millionen Kommentaren aus Reddit, einer der wichtigsten Plattformen für Debatten, nach den beiden Worten "Nazi" und "Hitler" durchsucht. In Diskussionen mit mehr als 1000 Kommentaren fallen die Begriffe mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit. In Diskussionen mit mehr als 4000 Kommentaren sind es mehr als 90 Prozent. Solange Diskussionen aus 100 oder weniger Kommentaren bestehen, fallen die Begriffe nur in jeder zehnten Diskussion.
Und was ist mit Donald Trump?
Endgültiger Beweis dafür, dass Godwin's Law zutreffe, sei das allerdings noch nicht, gibt der Autor zu. Dazu müsste in einer erweiterten Analyse geprüft werden, in welchem Kontext die Worte verwendet wurden. Doch die Ergebnisse liefern zumindest eine datenbasierte Bestätigung für die Existenz des Phänomens. Auf der Tech-Seite The Verge fragt ein Autor: "Mal ernsthaft: Wie oft taucht Hitler in Kommentarspalten auf (jenseits von Geschichtsdiskussionen), ohne dass es in Form eines Vergleichs geschieht?" Bestimmte Foren über Geschichte sind in der Analyse nicht enthalten, weil es dort logischerweise öfter tatsächlich um Nationalsozialismus und Adolf Hitler geht und nicht um Beleidigungen anderer, worauf sich Godwin's Law ja bezieht.
Reddit ist das viertgrößte soziale Netzwerk der USA und wird dort deutlich stärker genutzt als in Deutschland. Der verwendete Datensatz ist öffentlich über Bigquery verfügbar. Mit dieser Schnittstelle können Nutzer Googles Rechenkapazität nutzen, um Datenbanken abzufragen.
Godwin's Law sei heute so präsent wie Anfang der 90er, schrieb Godwin im Dezember in der Washington Post. Die Menschen neigten immer noch dazu, mit vorschnellen Nazi-Vergleichen über das Ziel hinauszuschießen: "Der beste Weg, um zukünftige Holocauste zu vermeiden, ist es nicht, Holocaust-Vergleiche zu verbieten, sondern sicherzugehen, dass die Vergleiche stichhaltig sind ." Das schrieb Godwin, weil er als vermeintlicher Experte oft gefragt wurde, ob man denn nun Donald Trump mit Hitler vergleichen dürfe.