Dieter Zetsche:Ein Mann für schwere Aufgaben

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Nach dem Beschluss, 8500 Stellen zu streichen, wagt sich der neue Mercedes-Chef vor die Mitarbeiter. Und erntet noch nicht einmal Pfiffe.

Karl-Heinz Büschemann

Der Mann mit dem Schnauzbart ist müde. Gerade erst ist Dieter Zetsche aus dem Firmenflieger gestiegen, der ihn über Nacht von Detroit nach Stuttgart gebracht hat. Aber er wollte an diesem Donnerstagmorgen den Mitarbeitern selbst erklären, was der Aufsichtsrat von DaimlerChrysler am Tag zuvor in Amerika beschlossen hat - auch wenn die Gefahr besteht, dass sie ihn auspfeifen.

Dieter Zetsche war Chrysler-Chef, steht nun Mercedes vor und wird bald der neue Konzernlenker. (Foto: Foto: dpa)

Zetsche, bisher Chef von Chrysler in Detroit, hat im Stammwerk Sindelfingen seinen ersten schweren Auftritt als neuer Mercedes-Chef. Nie zuvor war hier ein Unternehmens-Vorstand erschienen.

"Ich bin erst drei Wochen im Amt und hätte mir einen anderen Start gewünscht", sagt der Mann, der eigentlich am 1. Januar Vorstandsvorsitzender des DaimlerChrysler-Konzerns werden sollte, der aber zusätzlich bei der Tochter Mercedes-Benz einspringen musste, deren Vorstandsvorsitzender Eckhard Cordes zurückgetreten war.

Das Auto erfunden

"Unsere Kosten liegen in allen Bereichen wesentlich über denen anderer Hersteller", erklärt er zur Lage der traditionsreichen Marke. Jetzt sei es notwendig, das Personal zu reduzieren. 8500 Mitarbeiter müssten gehen. Da will auch er Gefühle zeigen. "Das tut weh", ruft er in die überfüllte Halle. "Aber es ist unumgänglich". Auch bei ihm, das sollen die da unten glauben, seien jetzt Emotionen im Spiel. Am Schluss gibt der 52-Jährige noch mal alles, um für Verständnis zu werben.

Er macht das so, wie er es auch bei Chrysler in Amerika getan hat, wenn es brenzlig wurde und er Arbeitern erklären musste, dass es für sie keinen Platz mehr gibt. Dann hilft es, Gefühle zu bemühen und die Zukunft zu beschwören: "Wir haben das Automobil erfunden", ruft er den Mercedes-Arbeitern zu. "Am Ende werden wir wieder ganz oben stehen." Es gibt nicht einmal Pfiffe von den 13.000 Versammelten.

Erfolg in Amerika

Mancher wird sich damit trösten, dass Zetsche in Amerika einige Erfolge hatte. Konzernchef Jürgen Schrempp, der 1998 den US-Autohersteller Chrysler übernommen hatte, schickte seine Geheimwaffe Ende 2000 nach Detroit, um den Verlustbringer zu sanieren. Zetsche hatte schon viele Jobs in dem Konzern. Aber meist nur für ein paar Jahre. So lange wie in der Chrysler-Zentrale von Auburn Hills bei Detroit war er selten irgendwo.

Doch er hat seine Arbeit zur Zufriedenheit von Schrempp erledigt. Chrysler macht wieder einen Betriebsgewinn, auch wenn das Unternehmen nach Ansicht von Fachleuten längst nicht gerettet ist. Auf dem US-Automarkt herrscht ein brutaler Preiswettbewerb. Aber auch die Chrysler-Arbeiter haben einen hohen Preis bezahlt. Von 125.000 Beschäftigten mussten etwa 25.000 das Unternehmen verlassen.

In der Mitarbeiterkantine

So etwas hatte vor ihm keiner hinbekommen, denn die US-Gewerkschaften gelten als beinhart. Doch Zetsche war nicht minder entschlossen, die Verluste zu beenden. Er schloss sich nicht in seinem Büro ein, war sich nicht zu fein, mit den Arbeitern zu reden. Er aß zu Mittag in der Kantine für die einfachen Angestellten und wenn es etwas Wichtiges mit den Gewerkschaften zu bereden gab, war Zetsche zur Stelle. Oft hinter verschlossenen Türen, wo es leichter ist, Kröten zu schlucken.

So entstand der Nimbus von "Dieter", den sie als Chef schätzten, weil er schnörkellos die Wahrheit sagte, den sie mochten, weil er ohne Gehabe und Chefallüren auskam und der sie mitriss, weil er sich für Chrysler begeistern konnte. Damit hatten sie nicht gerechnet, als Zetsche als erster Nicht-Amerikaner auf dem Chrysler-Chefstuhl anfing. "Die Leute haben gedacht, sie bekämen Adolf Hitler", weiß der amerikanische Autoexperte Dave Cole: "Aber dann ist Martin Luther erschienen". Die Zeit nannte Zetsche einen "Rambo mit Fingerspitzengefühl".

Zetsche bleibt länger bei Mercedes

Die Aufgabe bei Mercedes wird sich hinziehen. Zetsche hat sich längst damit abgefunden, dass er sich nicht auf die Führung des Konzerns beschränken kann, so wie es geplant war, als Jürgen Schrempp im Juli seinen Rücktritt ankündigte. Dazu ist Mercedes für DaimlerChrysler zu wichtig. Es war ja auch keiner mehr da, der den Job des Markenchefs hätte übernehmen können, nachdem Cordes den Bettel hingeworfen hatte, weil er glaubte, mit Zetsche als oberstem Boss nicht zurechtzukommen. "Der wird bleiben, bis Mercedes wieder in Ordnung ist", heißt es bei DaimlerChrysler.

Zetsche genießt es bereits, die Galionsfigur für die angesehenste deutsche Automarke zu sein. Bei der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt Anfang des Monats konnte er bereits mit viel Medienrummel die neue S-Klasse von Mercedes vorstellen. Zuvor war er mit einer schwarzen Rockerlederjacke in einem Jeep von Chrysler auf den Messestand der Stuttgarter gerollt. Um seinen Abschied von Amerika zu feiern zog er dann das seriöse graue Jacket des Mercedes-Chefs an und sagte: "Schön, wieder hier zu sein."

© SZ vom 30.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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