Die stillen Stars der Börse:Meine 500 besten Freunde und ich

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Immer nach oben orientieren, so macht man Karriere: Lichtinstallation in Singapur. (Foto: Edgar Su/Reuters)

Kaum ein Unternehmen passt so gut in unsere Zeit wie Xing. Sein Geschäftsmodell basiert auf Freundschaft mit Effizienzrechnung. Kein Wunder, dass Anleger das lieben, oder?

Von Angelika Slavik, Hamburg

Der Mensch hat ja heute gemeinhin ein anstrengendes Leben, überall wird optimiert und die Effizienz gesteigert: Job oder Freizeit, Sport oder Sex, der Mensch von heute lebt mit dem ständigen Gefühl, es müsse doch noch mehr drin sein. Wenn man es nur effizienter anginge!

Deshalb gibt es kaum ein Unternehmen, das so ausgezeichnet in diese Zeit passt wie Xing. Das Unternehmen ist vor allem bekannt als "Karrierenetzwerk" - eine Plattform also, auf der Menschen Kontakte sammeln, ausbauen und gleichzeitig mit ihrem großen Netzwerk angeben. Xing, das ist die Professionalisierung der Freundschaft, ein ständiger virtueller Sektempfang, bloß dass man sich die Häppchen spart und stattdessen Direktnachrichten verschickt.

Dass das zu den Anforderungen der Arbeitswelt von heute passt, zeigt auch die Performance der Xing-Aktie: In den vergangenen zehn Jahren hat das Papier um mehr als 700 Prozent zugelegt - und das, obwohl es in den vergangenen zwölf Monaten weniger gut lief, für diesen Zeitraum stehen zehn Prozent Kursverlust. Die Erwartung der Aktionäre an dieses Unternehmen passt eben auch in die Zeit: Immer ist da das Gefühl, es müsste doch noch mehr drin sein. Wenn man es doch nur effizienter anginge!

Dabei sind die jüngsten Zahlen beachtlich. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um knapp 18 Prozent auf 128,2 Millionen Euro, der Gewinn wuchs auf 39,7 Millionen Euro. Xing will im laufenden Jahr bei Umsatz und operativem Ergebnis zweistellig zulegen. Dabei setzt der Konzern New Work, der Xing betreibt und eine Tochtergesellschaft von Burda ist, vor allem auf die Geschäfte mit Unternehmenskunden.

Xing profitiert nicht nur davon, dass die Arbeitswelt von heute nach effizientem Kontaktmanagement verlangt, sondern auch davon, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Fachkräfte zu finden - und deshalb Unterstützung suchen. In diesem Segment hatte Xing zuletzt auch Zukäufe getätigt. Anfang April wurde Honeypot übernommen, ein Stellenportal für IT-Fachkräfte. Xing bezahlte dafür 22 Millionen Euro, der Kaufpreis könnte aber noch auf bis zu 57 Millionen Euro steigen - abhängig von, natürlich, der Performance.

Honeypot funktioniert anders als klassische Stellenanzeigen: Hier bewerben sich nicht potenzielle Arbeitnehmer auf ausgeschriebene Jobs bei Unternehmen. Stattdessen bewerben sich Firmen bei den begehrten Fachkräften. Ungefähr 120 000 Menschen sind auf dem Portal registriert, jede Woche sollen etwa 1000 neue dazukommen, heißt es. Zumindest für jenen Teil der Menschen, die begehrte Qualifikationen vorweisen, ist das die neue Realität am Arbeitsmarkt - und sie kommt einer Firma wie Xing entgegen.

Dass es in diesem Jahr mit der Aktie dennoch nicht so gut läuft, wie man es bei dem Unternehmen gewöhnt ist, liegt wohl auch daran, dass das Geschäft mit dem sogenannten E-Recruiting, also der Fachkräftevermittlung über das Internet, zwar beachtliche Umsätze einbringt - 65,3 Millionen Euro im ersten Halbjahr - die hohen Erwartungen der Anleger aber bislang nicht vollumfänglich erfüllt. Bei Xing erklärte man das rund um die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen mit der Schwierigkeit, eine ausreichende Zahl an Vertriebsmitarbeitern für Honeypot zu finden. Zugespitzt: Fachkräftemangel trifft eben auch die Fachkräftevermittler.

Honeypot und Xing sind mittlerweile miteinander verknüpft. Suchen Unternehmen bei Xing nach idealen Mitarbeitern, sehen sie auch, wer bei Honeypot registriert ist. Ob das die Aktie zurück auf den Rekordwert von mehr als 380 Euro bringen kann, den sie noch Anfang Juli verzeichnete?

Der Markt ist jedenfalls hart umkämpft. Im gleichen Feld wie Xing ist der international ausgerichtete Anbieter Linkedin ein harter Konkurrent, aber auch Google mischt neuerdings in diesem Feld mit: "Google for Jobs" ist seit Anfang Mai in Deutschland aktiv.

Der US-Konzern kooperiert dafür mit Linkedin, Monster und auch mit Xing. Wer also bei Google nach einem möglichen neuen Job sucht, bekommt auch Stellenanzeigen zu sehen, die Unternehmen auf Xing platziert haben. Geld bekommt Xing dafür allerdings nicht - ob das wirklich ein guter Deal ist? Beim Unternehmen meint man jedenfalls, von der größeren Sichtbarkeit zu profitieren. Xing hat ungefähr 16,5 Millionen Nutzer im deutschsprachigen Raum.

Unternehmen, denen es partout nicht gelingen will, die begehrten Arbeitnehmer für sich zu begeistern, können sich von Xing neuerdings auch die Gründe darlegen lassen - der Konzern analysiert die Stimmung in den Unternehmen und bietet Lösungen an, um deren Image als Arbeitgeber zu verbessern. Dazu werden die Mitarbeiter befragt, die bereits in der Firma arbeiten, dann wird ausgewertet, wofür ein Unternehmen wirklich steht und wie es sich folglich möglichst authentisch im Werben um Fachkräfte positionieren könnte.

Der Mensch hat gemeinhin ein anstrengendes Leben heute. Für die Unternehmen ist es wohl auch nicht leichter.

Kleinere Unternehmen werden am Aktienmarkt oft weniger beachtet. Die SZ stellt die stillen Stars der Börse in einer Serie vor.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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