Die schönsten Werbe-Flops:Konzipiert, präsentiert - und abgelehnt

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Jahr für Jahr verschwinden Hunderte von Kampagnenmotiven in den Schubladen der Unternehmen und Kreativschmieden. Eine Auswahl gibt es jetzt in Würzburg zu sehen. Und bei "sueddeutsche.de".

Marei Seidler

Präsentation. Die Zeit drängt. Deshalb helfen Kreative der Unterhachinger Agentur Heye & Partner bei dem Kollegen von der Pharma-Webung aus. Die Aufgabe: Es ist eine Fachanzeigenkampagne für Kompressionsstrümpfe der Schweizer Firma Ganzoni Sigvaris zu entwerfen, die Menschen mit Venenleiden anspricht und die Markenbekanntheit des Produkts erhöht.

Die Ausstellung "Why not!" ist vom 6. Mai bis 8. Juni in der Würzburger Frankenhalle zu sehen. Sie umfasst 180 Exponate - davon 120 abgelehnte Printmotive und Spots, 15 nie umgesetzte Arbeiten aus dem Produktdesign, zehn vom Deutschen Werberat gerügte Fälle und 30 Zeichnungen von Karikaturisten über ihre Vision von Deutschland. (Foto: Motiv: Buena la Vista)

Die von Heye & Partner erdachten Motive zeigen griechische Götterskulpturen - wie die Venus - mit Kompressionsstrümpfen. Der Claim: "Für alle, die lange stehen müssen. Kompressionsstrümpfe made in Switzerland"

"Zu gesehen"

Begeistert zogen die Werber mit ihren Motiven in den Kundentermin hinein. Und geknickt wieder heraus. Denn der Kampagnenentwurf traf nicht auf Wohlgefallen, der erhoffte Auftrag blieb aus. Die Entscheidung fiel zugunsten der Münchner Agentur Euro RSCG Life.

Sassan Sarlak, Leiter Sortiments- und Kommunikationsmanagement bei Ganzoni Sigvaris, möchte die Entscheidung nicht öffentlich begründen. Seinerzeit hieß es Heye & Partner gegenüber schlicht: "Zu gesehen."

Das wollten die Werber aus Unterhaching kaum glauben, hielten sie ihren niedergeschmetterten Vorschlag doch für viel innovativer als die Siegerkampagne.

Wie alle abgelehnten Entwürfe verschwanden auch die zuerst zu Papier und dann zu Fall gebrachten griechischen Göttinnen erst einmal in der Schublade.

Nun wurden sie herausgekramt und sind mit rund 180 weiteren Exponaten einen Monat lang als Kunstobjekte in der Ausstellung "Why not!" in der Würzburger Frankenhalle zu sehen. Alle Arbeiten eint, dass sie beim Kunden durchgefallen sind.

Dabei hatte der Marketingleiter persönlich noch bei der Zwischenpräsentation die Münchner Schwecke Müller Werbeagentur darin bestärkt, den mutigeren Entwurf weiterzuführen und den langweiligeren fallen zu lassen. Das Ergebnis war zwar gewagt, entsprach aber durchaus dem Briefing. "Die Kampagne sollte mutig und überraschend sein und eine jüngere Zielgruppe ansprechen", erklärt Ulla Müller-Frei, Kreativ-Geschäftsführerin bei Schwecke Müller.

Zizelmann selbst räumt ein: "Es fehlte im Hause letztlich der Mut, die Idee der Kampagne dann auch wirklich so zu transportieren." Das Symphonieorchester entschied sich für Printmotive, die dem Gedankengang "Kunst hören" folgen. Zu sehen ist jeweils ein Gemälde. Dieses zeigt einen Menschen, der aussieht, als würde er gerade der Musik lauschen.

Die Macher gingen auf Nummer sicher und präsentierten dem Symphonieorchester gleich mehrere Ideen. Denn oft bekundet ein Kunde im Vorfeld Courage und handelt dann eben doch anders.

Ohne Strategie - aber es gefällt

Aber auch die Agenturen liegen manchmal glatt daneben: mit einer Idee, die nicht dem Briefing entsprechend erdacht und an der Zielgruppe vorbei konzipiert wurde, die über das Ziel hinausgeschossen ist und dann eventuell auch noch schlecht verkauft wurde.

So erscheinen den Kunden mitunter Kampagnenentwürfe fernab jeder Strategie oder schlicht nicht zum restlichen Unternehmensauftritt passend.

Gar für einen Scherz hielt Isabella Poredos, Marketingleiterin des Reiseveranstalters Blagus Reisen, rückblickend einen Vorschlag ihrer Agentur Scholz & Friends Wien für die Busflotte Eurolines. Zu sehen ist ein Hähnchen, in dessen Rücken ein scharfes Fleischermesser steckt. Der Claim: "Abstecher nach ganz Europa ab 3,90 Euro".

Dabei hatte die Agentur das Motiv keinesfalls als Witz konzipiert. Durch die aufmerksamkeitsstarke Ansprache sollten die preisgünstigen Angebote von Eurolines kommuniziert werden. Das Motiv richtete sich an Studenten und junge Menschen mit wenig Geld und sollte für Gesprächsstoff sorgen.

Frei erfunden

Diese spitze Zielgruppe junger Leute wurde aber von der Agentur offensichtlich frei erfunden. Denn tatsächlich wollte Eurolines eher die breite Masse über Anzeigen in auflagenstarken Tageszeitungen erreichen. "Mit diesem provokanten Hähnchen-Motiv wären die Streuverluste für uns zu hoch gewesen", begründet Poredos die Absage.

Zudem hätte der Auftritt keineswegs zu der eher konservativen Unternehmensauffassung gepasst. Und: Die Agentur habe ihre Idee zu keinem Zeitpunkt nachargumentiert. Heute liegt der Entwurf mit dem abgestochenen Hinkel in Poredos Schublade. Manchmal holt sie ihn noch heraus - zur Erheiterung für sich oder Bekannte.

In den Schränken und Schubladen deutscher Kreativer schlummern wahrscheinlich Tausende abgelehnter Kampagnen und Motive. Wenn es sich um eine übergreifende Idee handelt, kann es durchaus einmal vorkommen, dass die Kampagne später wieder hervorgezaubert, verändert und recycelt wird. Schließlich liegt das Copyright bei den Agenturen. Aber eher dienen abgelehnte Motive als Inspiration, halten doch insbesondere die Kreativen eine Idee meist für "kaputt", wenn sie erst einmal abgeschmettert wurde.

Die verkannte Idee

Manche Papierkorb-Kampagne, die es nicht bis ins TV, auf die Litfaßsäule oder in die Presse geschafft hat, ziert zumindest die eigene Agenturbroschüre. Vorausgesetzt, die Macher glaubten an die gute, aber vom Kunden verkannte Idee.

Diese Überzeugung treibt auch Dieter Schneider, Geschäftsführer der Würzburger Agentur Buena la Vista und Initiator der Ausstellung Why not!, an. Schneider: "Viele Arbeiten haben es durchaus verdient, einmal zu Kunstobjekten erhoben und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden." Auch wenn der Kunde sie bereits zu Fall gebracht hat.

Bild: Kampagnenmotive für BR-Symphonieorchester Bildunterschrift: Zu gewagt: Das schreiende Kleinkind war dem Rundfunkorchester zu provokant, die Wahl fiel stattdessen auf ein historisches Gemälde-Motiv.

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