Die Probleme der Telekom:Gieriger Bund

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Verkehrte Welt der Telekom: Einerseits schüttet sie an ihre Aktionäre eine Rekord-Dividende aus - gleichzeitig aber will sie den Lohn von 50.000 Mitarbeitern schmerzhaft drücken. Für diese unglückliche Verquickung trägt der Großaktionär Bund Verantwortung.

Paul Katzenberger

Die diesjährige Hauptversammlung der Deutschen Telekom Anfang Mai war eines der ungemütlichsten Aktionärstreffen in der Geschichte des Unternehmens. Während Vorstandschef René Obermann seinen Aktionären in der Kölnarena eine stolze Dividende von 0,72 Euro pro Aktie verkündete, protestierten am Versammlungsort Mitarbeiter gegen eben diesen Reibach für die Anteilseigner.

Um die Wut der Beschäftigten zu erklären, genügt ein kurzer Blick auf die blanken Zahlen - zumindest vordergründig: Die Telekom will 50.000 Mitarbeiter der Festnetzsparte in drei neue Servicegesellschaften ausgliedern und ihnen den Lohn im Schnitt um neun Prozent kürzen.

Verdi rechnet die Arbeitszeitverlängerung von 34 auf 38 Wochenstunden mit ein und kommt so auf einen Einkommensverlust von etwa 44 Prozent.

Mit Vorsicht zu genießen

Ob nun neun oder 44 Prozent - beide Größen sind in Zeiten des Streiks wohl mit Vorsicht zu genießen. Deutlich weniger umstritten ist das Einsparpotenzial der Ausgliederung, das die Telekom mit jährlich 900 Millionen Euro beziffert.

Das klingt nach viel Geld - doch der Dividendensegen für die Aktionäre fällt mit mehr als drei Milliarden Euro allein für 2006 deutlich üppiger aus. Nach simpler Arithmetik könnte die Telekom mit einem einmaligen Dividendenverzicht die Ausgliederung jahrelang hinauszögern.

Da liegt die Frage auf der Hand, warum die Telekom nicht einmal in einer Krisensituation ausnahmsweise auf die Dividendenausschüttung verzichten kann. Immerhin ließe sich mit dem Geld zumindest so manche Grausamkeit gegenüber den Mitarbeitern abfedern. Und selbst wenn die Telekom an den geplanten Ausgliederungen festhalten wollte, ließen sich diese mit den einbehaltenen Dividenden-Milliarden geräuschloser über die Bühne bringen.

Hohe Erwartungen

Ganz so einfach lassen sich die Probleme des Ex-Monopolisten natürlich nicht lösen. Richtig ist, dass die Kapitalmärkte von Telekommunikationsunternehmen generell hohe Dividenden erwarten. Sie unterstellen, dass die Konzerne der Branche einen stabilen Cashflow aufweisen und über tragbare Geschäftsmodelle verfügen. Die T-Aktie ist im Dax zwar tatsächlich der Titel mit der die höchsten Dividendenrendite - im internationalen Vergleich der Telekom-Werte aber ist zum Beispiel die Dividendenrendite der Telecom Italia höher.

Ausschütten oder nicht: Die Handlungsfreiheit der Telekom ist also eingeschränkt: Würde der Bonner Konzern die Dividende vollkommen streichen, wären die Kapitalmärkte womöglich verstört - und die Folgen für den Kurs der T-Aktie vielleicht sogar fatal.

Der bisherige Auftritt der Telekom an der Börse ist ohnehin ein Trauerspiel -würde der Kurs der Aktie von jetzt 12,55 Euro womöglich auf einen einstelligen Euro-Betrag abrutschen, wäre ein tragischer Ausgang dieser einst so hoffnungsvoll als Volksaktie gestarteten Darbietung nicht mehr auszuschließen. Ein solcher Kursverfall würde den einstigen Staatskonzern in seiner Unabhängigkeit gefährden: Großinvestoren könnten eine feindliche Übernahme immer leichter finanzieren. Das ist das eine, bedrohliche, Szenario.

Mancher Aktionär verzichtet gerne

Doch müsste es wirklich so schlimm kommen? Es kommt andererseits ja immer wieder vor, dass börsennotierte Unternehmen Ausschüttung einer Dividende streichen und dafür manchmal sogar den Beifall des Aktienmarktes einheimsen. Wird das so eingesparte Geld im Unternehmen erkennbar klug angelegt, verzichtet mancher Aktionär gerne.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass auch der Telekom eine solche Chance durch die Kapitalmärkte eingeräumt worden wäre. Hätte das Management plausibel machen können, wie das jetzt ausgeschüttete Geld für die Steigerung der vielbeschworenen Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt worden wäre - der Kurs der T-Aktie hätte womöglich gar nicht gelitten.

Doch so schön solche Gedankenspiele auch sein mögen - indem das Telekom-Management die Milliarden ausspuckte, musste es sich vermutlich viel profaneren Begehrlichkeiten beugen.

Schließlich ist der größte Aktionär des Konzerns noch immer der Bund, und Großaktionäre lieben hohe Dividenden. Es lässt sich natürlich nicht beweisen, ob tatsächlich in dieser Weise Druck auf Obermann und seine Kollegen ausgeübt wurde. Hinter vorgehaltener Hand halten es viele Beobachter allerdings für wahrscheinlich, dass der Bund seinen Einfluss für eine hohe Ausschüttung geltend machte.

Gehältergerechtigkeit

Die Politik hätte damit erneut einen Beleg für ihre Inkonsequenz geliefert. Während nämlich die Koalition erbittert über die Einführung eines Mindestlohns streitet, schaut sie bei der Telekom tatenlos zu, wie dort die Gehälter markant abgesenkt werden sollen. Finanzminister Steinbrück hätte daher besser daran getan, auf die Dividenenmilliarden der Telekom zu verzichten.

Dies wäre ein aktiver Beitrag für die Gehältergerechtigkeit in Deutschland gewesen, die seine Partei derzeit so lautstark und zu Recht einfordert.

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