Die Methoden des Finanzministers:Gespenst aus der Wilhelmstraße

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Warum Peer Steinbrück streut, dass er Steuern erhöhen will, obwohl er das gar nicht vorhat.

Claus Hulverscheidt

Wenn ein Bundesfinanzminister die eigenen Truppen so richtig verschrecken und die Opposition in Wallung bringen will, dann schickt er ein gruseliges Gespenst los: Es entweicht unbemerkt aus seinem Dienstsitz, dem Detlev-Rohwedder-Haus an der Wilhelmstraße, und landet in einer der Zeitungsredaktionen in unmittelbarer Nähe.

Peer Steinbrück muss im Juni die Finanzplanung bis 2011 vorlegen. (Foto: Foto: dpa)

Dort sorgt es für hektische Betriebsamkeit und wohligen Grusel - und die Schlagzeile des nächsten Tages lautet: ,,Steinbrück plant Steuererhöhung''.

Was dann unter der Käseglocke des politischen Berlin passiert, das lässt sich präzise vorhersagen: Der Bündnispartner distanziert sich (,,Nicht mit uns''), die Opposition hyperventiliert (,,Abkassiererei!''), und die eigenen Parteifreunde starten Gegenangriffe (,,Der Koalitionspartner kneift!'').

Wieder unterwegs

Am Donnerstag nun war das Gespenst wieder unterwegs gewesen, das Resultat konnte am Freitag besichtigt werden.

Warum aber gerade jetzt? Bereits mehrfach hatte Peer Steinbrück in den letzten Wochen angedeutet, dass er die im Zuge der Gesundheitsreform vereinbarten höheren Staatszuschüsse an die Krankenkassen auf Dauer nicht aus dem Bundeshaushalt werde bezahlen können. Deshalb seien Sparvorschläge oder Einnahmeerhöhungen notwendig.

Doch niemand reagierte. Zu froh war die Koalitionsspitze, dass bislang noch keiner so recht gefragt hatte, wo die rund 80 Milliarden Euro herkommen sollen, die bis 2016 fällig werden.

Für Steinbrück jedoch ist das ein Riesenproblem: Im Juni muss er seine Finanzplanung für die Jahre 2008 bis 2011 vorlegen, und bereits zum Ende dieser Periode erreichen die Krankenkassenzuschüsse Dimensionen, die sich nicht einmal mehr auf dem Papier aus dem Haushalt herausquetschen lassen.

Zweit Möglichkeiten

Ergo: Er muss in wenigen Monaten sagen, wo das Geld herkommen soll.Für einen SPD-Finanzminister gab es nun zwei Möglichkeiten: Entweder er nötigt der eigenen Partei wie dem Koalitionspartner die öffentliche Zusage ab, dass die Mittel anderweitig als über Steuererhöhungen aufgebracht werden.

Oder er zwingt der CDU/CSU den Kurs der SPD auf, die ja das Sozialsystem insgesamt stärker über Steuern finanzieren und im Gegenzug die Beitragssätze senken will. In beiden Fällen ist es sinnvoll, das Unwort ,,Steuererhöhung'' fallen zu lassen.

Dass er dafür öffentlich gebrandmarkt wird, nimmt Steinbrück hin. Ob die Steuern 2010 tatsächlich erhöht werden, weiß niemand, auch nicht der Finanzminister.

Keine Lust auf Steuererhöhungsversprechen

Auf dem Weg dorthin liegt schließlich noch eine Bundestagswahl - und vor allem die Union wird kaum Lust verspüren, nach 2005 ein zweites Mal mit einem Steuererhöhungsversprechen in den Wahlkampf zu ziehen.

© SZ vom 03.02.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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