Die Gewerkschaften zum Börsengang der Bahn:Brüder, sehet die Signale!

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Sieben Gewerkschaften sind gegen den Börsengang, eine ist dafür - ausgerechnet die der Eisenbahner.

Detlef Esslinger

Wer die Position der Gewerkschafter zum Börsengang erfahren will, hat es scheinbar leicht. Man muss sich nur die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 3. April ansehen, da steht alles drin.

"Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften" lehnten eine Kapitalprivatisierung der Bahn grundsätzlich ab, heißt es gleich im zweiten Absatz. Allerdings: Das ist nicht die ganze Wahrheit, sondern sozusagen sieben Achtel davon. Denn sieben DGB-Gewerkschaften sind es, die den Börsengang ablehnen. Eine achte aber ist dafür. Und dabei handelt es sich ausgerechnet um die zuständige - um die Eisenbahnergewerkschaft Transnet.

Wem es Freude bereitet, zuzusehen, wie Gewerkschafter einander beschimpfen, der wird in diesen Wochen ohnehin gut bedient. Im Tarifkonflikt bei der Bahn werfen die DGB-Gewerkschafter von Transnet dem Konkurrenten von der Lokführer-Gewerkschaft GDL öffentlich Egoismus vor.

Rivalisierende Brüder

Die wiederum bezeichnen Transnet-Kollegen schon mal als "diese Spezies von Funktionären" - niemand geht unbarmherziger miteinander um als rivalisierende Brüder.

Beim Thema Börsengang verlaufen die innergewerkschaftlichen Konfliktlinien jedoch anders: Dort teilt die GDL im wesentlichen die Position des DGB, während Transnet alleine steht. In dem Disput zwischen Transnet und dem DGB geht es um unterschiedliche Haltungen zur Privatisierung. Einerseits. Und zusätzlich noch um etwas ganz anderes.

Transnet-Chef Norbert Hansen begründet seine Unterstützung für den Börsengang damit, dass dieser im Grunde längst beschlossen sei, und zwar seit der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD vom Herbst 2005. Nun komme es nur noch darauf an, diesen Börsengang konstruktiv zu begleiten - und darauf zu achten, dass er nicht zu Lasten der Arbeitsplätze gehe.

Kein Glaube an die Zusicherungen

Dies sehen die anderen Gewerkschaften grundsätzlich anders. Beschlossen sei der Börsengang erst, wenn der Bundestag ihm zugestimmt habe. Und den Versicherungen, es werde keine Nachteile für Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen bei der Bahn geben, und auch um das Streckennetz müsse sich niemand Sorgen machen - diesen Versicherungen glauben sie ohnehin nicht.

Hatte man ihnen bei der Privatisierung der Telekom einst nicht genau dasselbe erzählt? Und dann werden dort 50.000 Mitarbeiter zu schlechteren Bedingungen in neue Gesellschaften ausgelagert, weil die neuen internationalen Investoren das so verlangen.

Das ist der inhaltliche Dissens , der zusätzlich überlagert wird von einem organisatorischen Konflikt. Mit der DGB-Gewerkschaft Verdi, aber auch mit der IG Metall, liegt Transnet seit Jahren im Konflikt, wer für welche Branchen und Unternehmen zuständig ist.

Viele Fragen

Busfahrer gehörten früher zur ÖTV, später zu Verdi, dann aber verkaufte die Post ihre Überlandbusse an die Bahn - zu welcher Gewerkschaft sollen diese Busfahrer nun gehören? Das ist nur eine von vielen Fragen, über die auch deshalb so erbittert gestritten wird, weil die Gewerkschaften seit Jahren Mitglieder verlieren. Transnet zum Beispiel hatte zum Jahresende nur noch 250.000 Mitglieder, 11.000 Mitglieder weniger als ein Jahr zuvor, und fast die Hälfte der Mitglieder sind Rentner, die nicht den vollen Beitrag zahlen.

Das Votum der sieben DGB-Gewerkschaften gegen Transnet hat diesen Konflikt nach Meinung vieler Beteiligter noch einmal verschärft.

4,5 Prozent Lohnerhöhung zuzüglich 600 Euro Einmalzahlung hat Transnet-Chef Hansen Anfang Juli bei den Tarifverhandlungen herausgeholt.

So viel habe keine andere Gewerkschaft erzielt, darauf legte er den Akzent. Bei denen wiederum heißt es: Er habe doch nur die Belohnung bekommen für seine Unterstützung des Börsengangs. Sie sind eben rivalisierende Brüder.

© SZ vom 24.07.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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