Die Entzauberung des Renault-Bosses:Napoleons Abstieg

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Wegen seiner hochtrabenden Pläne wird Carlos Ghosn von vielen Renault-Mitarbeitern schlicht Napoleon genannt. Doch sein Waterloo könnte kurz bevorstehen.

Michael Kläsgen

Vor genau einem Jahr präsentierte ein vor Kraft strotzender, selbstbewusster Carlos Ghosn aller Welt seinen Drei-Jahres-Plan für Renault. Die Inszenierung sollte glauben machen, es handele sich um einen Geniestreich.

Auf der Bilanzpressekonferen 2007 musste Renault-Boss Carlos Ghosn einen 15-prozentigen Gewinnrückgang erklären. (Foto: Foto: AFP)

In diesem Jahr waren Ort und Zeitpunkt zwar gleich, aber Ghosn, Renault- und Nissan-Chef in Personalunion, war ein anderer. Nicht kleinlaut, aber doch auf das Normalmaß zurechtgestutzt, sprach der in Brasilien geborene und im Libanon aufgewachsene Chef in Paris von einer mit Ach und Krach erreichten Umsatzrendite von 2,56 Prozent bei Renault.

100.000 Fahrzeuge weniger verkauft

Damit nicht genug: Er deutete auch an, die geplante Absatzsteigerung von 800.000 Wagen bis 2009 möglicherweise nicht einhalten zu können. Renault verkaufte im vergangenen Jahr 100.000 Fahrzeuge weniger. Diesen Rückgang muss Ghosn nun erst einmal kompensieren. Derzeit deutet aber wenig darauf hin, dass es im laufenden Jahr zu einer Trendwende kommen könnte. Und davon, dass der Laguna, wie Ghosn im vorigen Jahr versprach, zum Aushängeschild des französischen Herstellers in der Oberklasse werden solle, hörte man auch nicht mehr viel.

Am Donnerstag sprach nicht "Carlos der Große", "Napoleon" oder "Gott", wie er wahlweise Renault-intern genannt wird. Es trat stattdessen ein entzauberter Carlos Ghosn an, der zwei leidende Autohersteller vertritt: Nissan meldete vergangene Woche in Japan einen Gewinneinbruch, Partner Renault folgt nun mit weiteren Hiobsbotschaften.

Ein doppelter Schlag für den erfolgsverwöhnten Ghosn, den der Absatzrückgang von Renault auf dem französischen Heimatmarkt und in Europa dabei besonders treffen dürfte. Er kann sich nicht mal auf ein schwieriges Umfeld berufen. Sein unmittelbarer Rivale Toyota legt gerade das siebte Rekordergebnis in Folge hin. Auch die deutschen Hersteller, zum Beispiel VW, schnitten nicht schlecht ab. Ghosn kann die Schwäche von Renault und Nissan nicht einfach wegreden.

Kommt der nächste Stellenabbau?

Sich als Kostenkiller zu bewähren, reicht offenbar nicht aus. Mit dem Streichen von 20.000 Stellen hatte er zwar Nissan vor der Pleite gerettet. Jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass seine Strategie der Kostenminimierung allein auf Dauer nicht trägt, zumal er im Moment noch vor einem großen Stellenabbau, der vor allem Frankreich treffen würde, zurückschreckt. Womöglich hängt das mit den dort bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zusammen.

Noch fixiert er sich auf das in Rumänien von der Tochtergesellschaft Dacia gefertigte Billigauto Logan. Es hat Ghosn davor bewahrt, noch schlechtere Zahlen vorzulegen. Und auch in Zukunft wird es zu seinen Trümpfen zählen. Doch nicht nur, weil Ghosn für das Auto ausgerechnet den im Moment politisch geächteten Iran als einen der Zukunftsmärkte auserkoren hat, ist diese Strategie ein Wagnis. Ghosn manövriert sich so in eine Situation hinein, in der fast all seine Hoffnung auf einem Billigauto ruht. Auf diesem Markt lässt er sich auf einen gefährlichen Wettbewerb mit dem Spitzenreiter Toyota ein. Darüber gerät der lukrative Oberklassemarkt aus dem Blick, den er mit dem Laguna erobern wollte.

Soll sein Drei-Jahres-Plan aufgehen, wird sich Ghosn etwas einfallen lassen müssen.

© SZ vom 09.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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