Die "absurde" Forderung der Lokführer:Ungerechter Vorwurf

Lesezeit: 2 min

Warum die Gewerkschaft der Lokführer zu Unrecht in dem Ruf steht, gleich 31 Prozent mehr Lohn zu fordern.

Detlef Esslinger

Nun also schon am Samstag: Eigentlich wollten die Richterinnen des Arbeitsgerichts Mainz erst in zwei Wochen über das Ansinnen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) entscheiden, die Einstweiligen Verfügungen gegen die Warnstreiks wieder aufzuheben.

Jedes Gerichtsverfahren hat sein Prozedere, und dazu gehört in diesem Fall, den Widerspruch der GDL erst der Bahn zuzustellen und die Prozessparteien zu laden.

Aber die Einhaltung des Prozedere hätte absehbar zu dem Vorwurf geführt, das Mainzer Gericht bevorzuge die Bahn - deren Antrag auf Einstweilige Verfügung beschied es schließlich am Dienstag über Nacht.

Entscheid außerhalb der Dienstzeit

"Diesem Vorwurf wollten die Kolleginnen sich nicht aussetzen", sagt Direktorin Maria Vonderau. Und so wird nun außerhalb der normalen Dienstzeiten, am Samstag um 10 Uhr, entschieden, ob die GDL wieder zu Warnstreiks aufrufen kann, um ihre Forderung nach 31 Prozent Lohnerhöhung für die Lokführer durchzusetzen.

31 Prozent? In der Frankfurter Gewerkschaftszentrale können sie die Zahl schon nicht mehr hören. Es ist die Zahl, mit der die Bahn im öffentlichen Meinungskampf hantiert. Die Forderung sei "absurd", schrieb das Unternehmen in einer Anzeige, die es am Donnerstag in zahlreichen Zeitungen geschaltet hatte. Mag man die Forderung der GDL auch als übertrieben ansehen, die Bahn übertreibt in ihrer Darstellung allerdings ebenfalls.

Die Bezahlung der Lokführer setzt sich aus einem Grundgehalt zusammen, das zwischen 1933 und 2102 Euro brutto liegt, zuzüglich Zulagen, die im Schnitt weitere 500 Euro ausmachen.

Unübersichtliches Zulagensystem

Weil das Zulagensystem der Bahn recht unübersichtlich ist und Zulagen über Jahre fixiert sind, so dass sie bei Tariferhöhungen nicht mitwachsen, will die GDL lieber mehrere der Zulagen streichen und statt dessen das Grundgehalt erhöhen. Verrechnet man Streichung und Erhöhung miteinander, ergibt sich eine Forderung von 21 Prozent.

Was immer noch rasant ist. Weshalb die GDL das öffentliche Rechnen mit Prozenten so scheut wie der Schwarzfahrer den Schaffner. "Wir wollen klarmachen", sagt GDL-Sprecherin Gerda Seibert, "dass das Gehalt des Fahrpersonals so unverschämt niedrig ist, dass sich endlich mal was tun muss."

Das Grundproblem bei der Bahn ist aus Sicht der Gewerkschaft, dass die Gehälter erstens relativ niedrig sind und Erhöhungen in deren System praktisch kaum vorgesehen sind.

Gewerkschaften gehen Problem unterschiedlich an

Allerdings gehen die Gewerkschaften das Problem unterschiedlich an. Die GDL will im laufenden Tarifkonflikt nicht nur Entgelterhöhungen durchsetzen, sondern auch ein neues Entgeltsystem.

Transnet und GDBA hingegen sagen, Systemfragen könnten in einer normalen Lohnrunde nicht mitverhandelt werden, dazu seien sie viel zu kompliziert: Soll sich die Bezahlung der Bahn-Beschäftigten nur danach richten, wie lange sie den Job schon machen? Das ist ja lediglich eine der Fragen, die zu klären sind.

Weitere sind: Sollen sich Lokführer im Lauf ihres Lebens nur um 169 Euro, also auf jene 2102 Euro verbessern können, die in ihrer Entgeltgruppe nun mal das höchste sind? Oder sollte Bezahlung auch eine Frage von Qualifikation, Belastung, Verantwortung und Leistung sein, mit viel größeren Spannbreiten in den einzelnen Entgeltgruppen?

Reden über Erhöhung und System

Darüber wollen Transnet und GDBA nun, da sie ihre Tarifrunde erledigt haben, mit dem Bahn-Vorstand reden - die GDL jedoch will sowohl über Entgelterhöhung wie über Entgeltsystem reden, wenn sie an diesem Freitag in Frankfurt mit ihm zusammenkommt.

Letzte Prognosen für das Treffen: Bahn-Chef Hartmut Mehdorn lässt ausrichten, er sei "gedämpft optimistisch", GDL-Chef Manfred Schell hält dagegen, dass er eine "frostige Atmosphäre" erwartet.

© SZ vom 13.07.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: