DFB-Boss Zwanziger vs. Blogger:1:0 für Blogger

Lesezeit: 3 Min.

DFB-Chef Theo Zwanziger steht unter Druck und gegen den DFB der "Lügen"-Vorwurf im Raum. Dass es so weit gekommen ist, liegt vor allem an der Fußball-Blogosphäre.

J. Aumüller

Der Indirekte Freistoß gehört zweifelsohne zu den bekanntesten Fußball-Blogs im Netz, obwohl er eigentlich gar kein richtiger Blog ist, sondern vielmehr eine tägliche Presseschau für den Fußballfan. Schon seit Jahren wertet dort der Journalist Oliver Fritsch die Sportteile der Tageszeitungen und die Sportressortseiten der Internet-Auftritte aus. Und seit einigen Monaten hat er diesem Indirekten Freistoß auch noch einen kleinen Bruder an die Seite gestellt, den Direkten Freistoß, und der wiederum ist ein ganz und gar richtiger Blog.

Sieg für die Blogosphäre: der Fall Zwanziger. (Foto: Foto: dpa)

Nun weiß jeder Fußball-Torwart, dass ein direkter Freistoß viel gefährlicher ist als ein indirekter, und so verhält es sich offenkundig auch im Internet - zumindest für den DFB-Chef Theo Zwanziger. Denn in diesem Blog begann eine Geschichte, die Zwanziger wohl lieber vergessen machen würde. In der er mit zwei gerichtlichen Klagen nicht durchdrang, in der sein DFB eine äußerst merkwürdige Pressemitteilung verschickte und an deren vorläufigem Ende gegen die höchsten Repräsentanten des deutschen Fußballs ein "Lügen"-Vorwurf vorliegt.

"Unglaublicher Demagoge"

Das alles, weil der freie Sportjournalist Jens Weinreich, der seit vielen Jahren über die nationale und internationale Sportpolitik berichtet und der als Autor auch für die Süddeutsche Zeitung schreibt, Ende Juli in einem Kommentar zu einem Blogeintrag bemerkte, Zwanziger sei ein "unglaublicher Demagoge", denn Zwanziger habe mehrfach behauptet, "Schuld an allen Problemen des Fußballs, des DFB im Allgemeinen und der DFL im Besonderen ist einzig und allein das Bosman-Urteil". Daraufhin versuchte der DFB-Boss, Weinreich gerichtlich verbieten zu lassen, ihn als "Demagogen" zu bezeichnen.

Dass die Geschichte bislang so verlief, darf die Blogosphäre als einen Sieg für sich verbuchen. Nachdem Weinreich am 22. Oktober auf seiner Homepage erstmals öffentlich auf die beiden Gerichtsentscheide hingewiesen hatte, hielten Fritsch und der FAZ-Autor Jürgen Kalwa in dessen Blog American Arena, Medienblogger Stefan Niggemeier und vor allem der betroffene Weinreich selbst das Thema am Köcheln.

Jede Wendung notierten sie, jedes Gerichtsdokument veröffentlichten sie, jede Argumentation des DFB sezierten sie. "Die technischen Möglichkeiten des Internets, viel zu publizieren und Aktenmaterial zu veröffentlichen, sind deutlich geworden und eine Transparenz ist entstanden, gegen die der DFB keine Chance hatte", sagt Fritsch.

So gewann der Zwist über Wochen eine Eigendynamik, die sich Mitte November entlud. Da verschickte die DFB-Pressestelle eine Stellungnahme, in der sie unter anderem die beiden verlorenen Gerichtsgänge verschwieg, Weinreich eine diffamierende Kampagne unterstellte und dem Sportjournalisten eine Entschuldigung nachsagte, die dieser nach eigener Aussage nie abgegeben hat.

Nach dieser Pressemitteilung fingen auch die klassischen Medien an, über den Fall zu berichten. Die Nachrichtenagenturen schweigen zwar bis heute zu diesem Konflikt, doch der Fall ist nun dank der Blogger weit über die Blogosphäre hinaus bekanntgeworden. Der Fall hat den Status des lieben "Onkel Theo" angekratzt - einen Status, den sich Zwanziger mit seiner im Gegensatz zu seinem arrogant-ignoranten Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder integrativen Art erworben hatte. "Die Blogs haben bestimmt eine wichtige Rolle gespielt, aber ich würde uns da nicht zu wichtig nehmen und keinen Gegensatz zu den klassischen Medien aufbauen", sagt Fritsch.

Doppelpass und Eigentor

In der Tat kamen an zwei entscheidenden Stellen die Weiterentwicklungen von außen - zwei Entwicklungen, die sich mit den fußballerischen Begriffen Doppelpass und Eigentor ganz gut beschreiben lassen. Den Doppelpass spielte die Blogosphäre mit einem klassischen Printmedium, dem Gießener Anzeiger. Die Zeitung berichtete am 8. November, dass der DFB-Chef auf einer Podiumsveranstaltung eine Frage des Moderators mit dem Hinweis gekontert haben soll, dies seien "demagogische Fragen".

Der DFB dementierte das, aber dennoch dürfte dieser Bericht eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf gespielt haben. Denn wie kann man jemanden wegen des Vorwurfs, ein "unglaublicher Demagoge" zu sein, vor Gericht zerren, wenn man selbst unter Beweis stellt, wie sehr der Begriff in der Alltagsauseinandersetzung verwandt wird? Genüsslich griffen die Blogger den Artikel des Gießener Anzeigers auf.

Und da wäre noch das Eigentor - ein Eigentor, das dem DFB-Chef Theo Zwanziger schon ziemlich früh in dem Konflikt unterlief. Als der DFB-Chef in den Tagen nach dem 25. Juli über die Formulierung "unglaublicher Demagoge" stolperte, da hatte er noch die Möglichkeit zu zeigen, dass ein Blog nicht mehr ist als ein Blog und dass Hinweise auf die Unwichtigkeit von Blogs durchaus auch ihre Berechtigung haben können.

Zwanziger hätte ein wenig murrend über diesen Vorwurf hinweglesen können (wie es Gerhard Schröder oder Oskar Lafontaine vermutlich hundertfach bei Demagogen-Vorhaltungen getan haben) oder sich bei einem Glas Wein mit Freunden darüber auslassen können; auf jeden Fall hätte er dafür sorgen können, dass Weinreichs Bemerkung nicht mehr geworden wäre als Kommentar Nummer vier in einem Blogeintrag des Blogs Direkter Freistoß. Doch Zwanziger tat das nicht, sondern er ging gerichtlich dagegen vor und sorgte so dafür, dass der Fall an Fahrt aufnahm. Eine Auseinandersetzung begann, in der er bisher nur verloren hat.

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