Deutsche Wirtschaft:Jetzt bloß nichts vermasseln

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Aus London gibt es unerwarteten Zuspruch: Der "Economist", das liberale Wirtschaftsmagazin, äußert sich erstaunlich positiv über die deutsche Wirtschaft. Nur noch die deutschen Politiker könnten den Aufschwung vermasseln, so das Fazit.

Nikolaus Piper

Der Economist ist auf erfrischende Weise altmodisch. Das Magazin aus London ist seit der Gründung 1845 seiner klassisch liberalen, freihändlerischen Linie treu geblieben, die Aufmachung ist dezent, die witzigen Bildzeilen meist aussagekräftiger als die wenigen Bilder selbst.

Selten enthüllt der Economist etwas, dafür ist er umso meinungsfreudiger. Die - nie mit Namen zeichnenden - Autoren erkennen oft die Zeichen der Zeit. Über eine Million mal wird der Economist wöchentlich verkauft. Und gelegentlich wird dessen Meinung selbst zum Thema.

So auch jetzt. "Deutschlands überraschende Wirtschaft" - so der Titel der an diesem Freitag erscheinenden Ausgabe. Darunter sieht man einen Bundesadler, der die - noch etwas klein geratenen - Muskeln spannt.

"Im positiven Sinne überraschen"

Im Blatt findet sich ein Leitartikel, ein Bericht über den Wahlkampf und ein Report über die deutsche Wirtschaft. Zentraler Satz des Leitartikels: "Tatsächlich sagen einige Forscher jetzt voraus, dass Deutschland, das so viele Jahre immer wieder enttäuscht hat, nun im positiven Sinne überraschen könnte."

Das lässt aufhorchen. Im Dezember 2002, kurz nach der letzten Bundestagswahl, hatte der Economist mit seinem Report "Ein unsicherer Riese" treffend den negativen Grundton in der deutschen Wirtschaft beschrieben.

Als Begründung für ihr neues, optimistischeres Deutschland-Bild bieten die Autoren keine Sensationen, sondern Fakten, die auch in deutschen Zeitungen standen: sinkende Lohnstückkosten, steigende Gewinne der Dax-Unternehmen, eine flexiblere Lohnpolitik. Doch im Gegensatz zu deutschen Kommentatoren traut sich der Economist, dies alles uneingeschränkt positiv zu bewerten.

Kritisch gegenüber den Parteien

Im Wahlkampf allerdings kann keine der deutschen Parteien guten Gewissens den Economist für sich in Anspruch nehmen. Einerseits gibt der Leitartikler zu verstehen, dass seiner Meinung nach ein Machtwechsel dem Land gut täte. Andererseits kritisiert er hart die von Angela Merkel geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer und mokiert sich über deren Pannenserie.

Sein Fazit: "Die Nachrichten aus Deutschland könnten überraschend gut werden, vorausgesetzt die Politiker vermasseln es nicht nach der Wahl im nächsten Monat."

© SZ vom 19.08.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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