Deutsche Standorte vor dem Ausverkauf:BenQ löst sich auf

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"Namhafte Branchenunternehmen, Finanzinvestoren und Glücksritter" sollen sich für einen Einstieg interessiert haben. Genutzt hat es nichts.

Markus Balser

Beim zusammengebrochenen Handyhersteller BenQ Mobile schwindet nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Jahresanfang die Hoffnung auf ein Überleben.

Mit mehr als 100 Investoren habe er seit Anfang Oktober Gespräche geführt, sagte Insolvenzverwalter Martin Prager am Mittwoch in der fast menschenleeren BenQ-Mobile-Zentrale in München.

Verhandlungen gehen weiter

"Namhafte Branchenunternehmen, Finanzinvestoren und Glücksritter" hätten sich für einen Einstieg interessiert.

Mit 31 Gruppen und Firmen habe er intensive Verhandlungen geführt, konkrete Planungsszenarien durchgespielt und erste Vertragsentwürfe ausgetauscht - bislang jedoch vergeblich. Denn kein einziger Interessent habe daraufhin auch ein verbindliches Kaufangebot für das Geschäftsfeld vorgelegt.

Harte Kritik übte der Insolvenzverwalter am Siemens-Konzern. Durch Fehler der Manager sei die Lage so verfahren gewesen, dass auch BenQ das Unternehmen nicht habe retten können, so Prager.

Die Taiwanesen hätten die Komplexität der Aufgabe offenbar unterschätzt und die Marke dann endgültig ruiniert. Der enorme Umsatzeinbruch des Unternehmens habe sich in den vergangenen Wochen fortgesetzt und auf Investoren eine enorm abschreckende Wirkung gehabt.

Im vierten Quartal hatte der Umsatz lediglich noch 51 Millionen Euro betragen, ein Bruchteil der kalkulierten 391 Millionen Euro. Damit stünde ein Investor vor einer großen Herausforderung. Er müsste nicht nur die chronisch defizitäre Produktion sanieren, sondern auch noch den erlahmten Verkauf ankurbeln.

Dennoch gibt es laut Prager noch einen kleinen Funken Hoffnung: Mit einem ernst zu nehmenden Interessenten werde er weiter verhandeln.

Dieser könnte eventuell Teile des maroden Unternehmens übernehmen. Allerdings werde ein solcher Neustart immer schwieriger, je länger die Produktion stillsteht, so Prager. In einigen Monaten werde es für eine Rettung zu spät sein. "Die nächsten Wochen bleiben spannend", sagte Prager.

Derweil geht die Auflösung des Unternehmens weiter. Von den ursprünglich rund 3000 Beschäftigten in Deutschland sind bei BenQ derzeit noch etwa 260 mit der Abwicklung des Betriebs und der Auslaufproduktion beschäftigt.

"Ohne einen Investor ist dieses Unternehmen nicht weiter zu führen, denn es ist unter Vollkosten nicht profitabel. Damit würden wir auf Kosten der Gläubiger Verluste produzieren, und das dürfen wir nicht", sagte Prager. Aufgabe des Insolvenzverwalters sei es, das vorhandene Vermögen im Interesse der Gläubiger zum bestmöglichen Preis zu verwerten.

Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte, die Gewerkschaft hoffe weiter auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. "So lange Gespräche geführt werden, gibt es auch nach der Eröffnung der Insolvenz noch Chancen für eine Auffanglösung bei BenQ." Ähnlich äußerte sich der Bezirksleiter der IG Metall in NRW, Detlef Wetzel. Es sei ein Konzept notwendig, dass eine Perspektive für die

Fortführung der Produktion und den Bestand von möglichst vielen Arbeitsplätzen eröffne.

Derweil suchen die ehemaligen BenQ-Mobile-Mitarbeiter nach einer neuen Perspektive. Insgesamt haben laut Insolvenzverwalter Prager über 90 Prozent von ihnen das Angebot eines Übertritts in die von Siemens mitfinanzierte Transfergesellschaft angenommen.

Damit seien 2300 ehemalige Mitarbeiter in die Gesellschaften in München und im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort übergetreten, die den Betroffenen für bis zu zwölf Monate bei der Jobsuche und der Qualifizierung helfen sollen. Insgesamt 500 Mitarbeiter hätten seit der Insolvenzanmeldung von sich aus gekündigt. 130 davon haben bei ihrem ehemaligen Mutterkonzern Siemens einenneuen Job gefunden.

Das Amtsgericht München hat das Insolvenzverfahren über BenQ Mobile am 1. Januar eröffnet. Das Unternehmen hatte Ende September Insolvenz anmelden müssen, nachdem der taiwanische Elektrokonzern BenQ der verlustträchtigen Handy-Sparte nur ein Jahr nach der Übernahme überraschend den Geldhahn zugedreht hatte.

Die Asiaten hatten für das Mobiltelefongeschäft von Siemens mehr als 400 Millionen Euro an Mitgift erhalten. Zuvor war es auch dem Technologiekonzern Siemens selbst mit der geballten Macht eines Großunternehmens nicht gelungen, die Handy-Produktion profitabel zu gestalten. Tag für Tag fielen zuletzt eine Million Euro Verlust an. Am Ende stand das bittere Eingeständnis des Siemens-Vorstands, "vom Geschäft mit dem Endkunden nichts zu verstehen".

© SZ vom 4.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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