Deutsche Hersteller:Glamour gegen Langeweile

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Daimler fährt mit einem neuen Geländewagen auf, Volkswagen feiert diesmal deutlich bescheidener.

Von Max Hägler und Kathrin Werner, Detroit

Ein kantiger Geländewagen, den sie bei Mercedes G-Klasse nennen, klettert gewaltige Steigungen empor und steile Abstiege hinab über das Hindernis auf der riesigen Bühne. Bässe wummern, Feuer speit, künstlicher Nebel wallt. Und dann steigt auch noch Arnold Schwarzenegger vom Rücksitz. Die G-Klasse sei sein "wahrer Zwilling", ruft er und meint: muskulös, mächtig, einsatzbereit für wildes Terrain und auf dem roten Teppich - und seit Jahrzehnten in etwa gleich.

Mercedes hat sich nicht lumpen lassen für die Präsentation bei der Automesse in Detroit. Daimler-Chef Dieter Zetsche strahlt unter seinem Schnurrbart hervor und nimmt den Terminator in den Arm. Trotz leichter Absatzrückgänge in den USA, weil die Amerikaner Premiumautos wie die C-Klasse seltener kaufen, läuft es gut. Der Abstand zum Konkurrenten BMW ist größer geworden, das Geschäft ist sehr profitabel, vor allem weil sich die Mercedes-SUVs gut verkaufen. Die Krönung der SUV-Flotte ist die G-Klasse, der Geländewagen. Die Amerikaner lieben ihn, auch wenn sie eher zum Supermarkt damit fahren als durchs Gelände. Hoher Benzinverbrauch stört die wenigsten, Benzin ist billig. Die G-Klasse passt zur Automesse, auf der auch die anderen Autobauer ihre Pickup-Trucks und dicken SUVs vorzeigen und die Kleinwagen in der Ecke verstecken.

Die G-Klasse passt zur Automesse, auf der auch die anderen ihre dicken SUVs vorzeigen

Nur ein Unternehmen macht das anders: Volkswagen. Der andere große deutsche Autokonzern feiert auf der Automesse in Detroit bescheidener. Und stellt die neue Auflage eines deutlich bescheideneren Autos vor: den Jetta, einen kleinen Mittelklassewagen mit Stufenheck und niedrigem Spritverbrauch, für das man immer gut einen Parkplatz findet. Gerade einmal 18 500 Dollar soll er kosten. Dieser Jetta ist vielleicht etwas langweilig. So wie diese Party am Sonntagabend vor der Automesse. Aber, sagen sie bei VW: Das ist doch gut, nach all dieser Aufregung zuletzt.

Im Garden Theater, einem Ort mit Backsteincharme wie meist in Detroit, ist nur die Marke VW zu sehen, niemand von den Konzerngeschwistern wie Audi oder Porsche, niemand aus der Konzernführung, abgesehen von VW-Markenchef Herbert Diess. Nachwirkungen der Dieselkrise, lästern Vertreter von Wettbewerbern, da sei wohl Reiseunlust ausgebrochen. Vor bald zweieinhalb Jahren ist der VW-Dieselbetrug aufgeflogen, Konzernchef Matthias Müller sorgte dann im Januar 2016 für Wirbel, als er bei der damaligen Detroit-Show das Geschehene kleinzureden schien. Und dann ist da noch Ex-Kollege Oliver S., der bei einer Reise in die USA festgenommen wurde, wegen Verstrickung in den Dieselskandal und nun für sieben Jahre im Gefängnis sitzen soll.

Es müssen nicht immer Geländewagen sein: VW-Markenchef Diess stellt in Detroit einen kleinen Mittelklassewagen namens Jetta vor. (Foto: Jose Juarez/dpa)

Ist der Konzern so spärlich vertreten, weil die Topmanager Ähnliches befürchten? In Wolfsburg bestreitet man das: Alle seien reisefähig, heißt es, man habe nur andere Schwerpunkte gesetzt: Detroit sei nicht mehr so wichtig. Nach allem, was man darüber hinaus in Justizkreisen in Erfahrungen bringen kann, erscheint das zumindest nicht völlig unplausibel. Andererseits: Die USA sind ein großer, wichtiger Markt. Volkswagen wolle hier "ein relevanter Volumenhersteller" werden, sagt Diess, der da nun allein auf der Bühne steht. Das war schon vor dem Dieselskandal keine einfache Aufgabe. Nur 340 000 der weltweit 6,23 Millionen Autos hat VW im vergangenen Jahr in den USA verkauft, das entspricht einem Marktanteil von zwei Prozent, zudem schreibt man in diesem Land weiterhin rote Zahlen. Aber immerhin: VW wächst leicht in den USA, entgegen dem Markttrend, entgegen auch dem Minus im Heimatmarkt Deutschland. Aufgeben ist also keine Option, das widerspräche dem Selbstverständnis als globaler Hersteller.

Der Abgasskandal, die mehr als 20 Milliarden Euro Strafe, die ersten Urteile - all das kommt bei der Party fast nicht zur Sprache. Und das Wort Diesel nimmt Diess nur einmal in den Mund. Stattdessen: "Ich will nicht ruhen, bis Volkswagen in den USA wieder seine Position als zuverlässige, vertrauenswürdige und erfolgreiche Marke erarbeitet hat." Dafür ist der Jetta das passende Modell. Seit 1979 baut Volkswagen das Auto und hat in den USA bereits 3,2 Millionen Exemplare davon verkauft. Der Jetta ist das erfolgreichste deutsche Auto in den USA. Das neue Modell ist ein bisschen größer als das alte, fast so groß wie der europäische Passat. Für die Amerikaner, die Stufenhecks seit jeher lieben, gilt das Auto als eine qualitativ hochwertige Alternative zu US-Modellen - manche finden es gar cool. Für deutsche Augen sah er eher bieder und unsportlich aus. Das neue Modell soll schnittiger wirken. Eine Diesel-Version des neuen Jetta wird es nicht geben.

Schwarzenegger fragt, wann es sein geliebtes Auto auch elektrisch gibt - Zetsche nennt kein Datum

Bei Mercedes ist deutlich mehr Glamour. Die Deutschen haben für ihre Präsentation in Detroit das legendäre Michigan Theatre gewählt, eine Ikone. Frank Sinatra und Louis Armstrong standen hier schon auf der Bühne. Der Stuck mit seinen Renaissance-Schnörkeln zeugt noch von der goldenen Zeit, auch wenn er heute brüchig und scheckig ist und das alte Theater nur noch Parkhaus und Party-Ort ist. Selbst die riesigen Autos wirken klein unter dem mächtigen Deckengewölbe. Einen Quasi-Amerikaner übrigens stört der Benzinverbrauch: Schwarzenegger. Er fährt zwar seit 25 Jahren G-Klasse. "I love this car", jubelt er ins Publikum. Aber schließlich ist er nicht nur Bodybuilder, sondern auch Politiker - und setzt sich für Umwelt- und Klimaschutz ein. Er hat sich eine seiner G-Klassen umrüsten lassen und fährt jetzt die erste Elektro-G-Klasse der Welt.

"Ich habe eine Frage an Dich", sagt Schwarzenegger zu Zetsche. "Kommt diese G-Klasse als Elektro-G-Klasse auf den Markt?" Zetsche antwortet etwas schmallippig: "Weißt Du, im vergangenen Jahr haben wir öffentlich gesagt, dass wir die gesamte Flotte von Mercedes so ändern werden, dass alle auch mit Elektromotoren erhältlich sind." Ein Datum, wann die spritschluckende G-Klasse mit Strom fahren soll, nannte er nicht. Schwarzenegger ist trotzdem zufrieden. "Applaus dafür", ruft er. Und der Applaus donnert - deutlich lauter als einige Straßen entfernt für den Jetta.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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