Deutsche Firmenpolitik:Unter schlechtem Stern

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DaimlerChrysler schließt für die Sorgentochter Chrysler "keine Option mehr" aus, die "Zusammenarbeit mit Partnern" wird geprüft. Wer so formuliert, hat mit der Vergangenheit abgeschlossen. Trotzdem lassen sich die deutschen Spitzenmanager die Lust am Firmenmonopoly partout nicht nehmen.

Marc Beise

Auf dieses Eingeständnis haben Experten seit Jahren gewartet: Die Führung von DaimlerChrysler räumt ein, dass die Ehe des deutschen mit dem amerikanischen Traditionsunternehmen am Ende ist.

Was laut Eigenwerbung ,,als Fusion im Himmel'' begonnen hat, ist längst in die Hölle abgerutscht. So deutlich traut man es sich im Unternehmen noch nicht zu sagen, sondern flüchtet ins Management-Vokabular: ,,Keine Option'' sei ausgeschlossen, lässt Konzernchef Dieter Zetsche mitteilen, die ,,Zusammenarbeit mit Partnern'' werde geprüft.

Wer so formuliert, hat mit der Vergangenheit abgeschlossen. Es ist dies eine Vergangenheit, die den Konzern einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet hat.

Ist das noch normaler Firmenalltag, nach dem Motto: Kann ja mal passieren in der weiten Welt der Wirtschaft, dass die Dinge nicht so laufen wie geplant?

Der Daimler aus Sindelfingen

So einfach könnte man es sich nur machen, wenn an den strategischen Entscheidungen der Großkonzerne nicht Hunderttausende von Jobs und die Vermögen der Aktionäre hängen würden. Ganz abgesehen von den Wünschen der Kunden, die im konkreten Fall den Daimler aus Sindelfingen fahren wollen, aber nicht das Auto aus dem Weltkonzern.

Das Drama um DaimlerChrysler bliebe trotz der Größe des Unternehmens eine Firmengeschichte unter vielen, wenn sie nicht so typisch wäre für die Großmannssucht, den Spieltrieb und die Abgehobenheit vieler (deutscher) Manager.

Mit einigen wenigen Getreuen hatte Konzernchef Jürgen Schrempp im Jahr 1998 den ganz großen Deal ausgeheckt, den dann Heerscharen von bestbezahlten Anwälten, Unternehmensberatern und Steuerexperten umsetzen durften.

Als Blaupause war das noch einigermaßen plausibel, in der Praxis hatte es nie eine Chance. Schon den Strategen selbst wuchs das Projekt über den Kopf.

Pausenloses Hin- und Hergejette

Das pausenlose Hin- und Hergejette rund um den Globus überforderte selbst den Härtesten unter ihnen - und erst recht die Belegschaften. Am Ende brannte es abwechselt bei Mercedes oder Chrysler.

Trotzdem lassen sich die Spitzenmanager die Lust am Firmenmonopoly partout nicht nehmen: Soeben baut der schneidige Thomas Middelhoff den betulichen Einzelhändler Karstadt zum schicken Tourismuskonzern um, kauft dazu ein Reiseunternehmen nach dem anderen; fehlt jetzt nur noch ein trendiger Kunstname fürs Ganze.

Middelhoff ließ sich mitnichten von den Erfahrungen seines Managerkollegen Michael Frenzel abschrecken: Der hatte ähnliches mit dem ehemaligen Stahlunternehmen Preussag gemacht, die heute TUI heißt und auf Reise und Schifffahrt setzt; mittlerweile geht dort die Angst um vor einer feindlichen Übernahme durch einen Finanzinvestor, der dann wahrscheinlich als erstes wieder auseinanderbrechen wird, was Frenzel schmerzvoll zusammengefügt hat.

Der Verbraucher zahlt's ja

Oder die deutschen Energiekonzerne, die über Entsorgung, Telekommunikation, Wasser bis Strom und Gas so ziemlich alles ausprobiert haben, was überhaupt nur geht - Geld spielt keine Rolle, der Verbraucher zahlt's ja.

In Amerika ist das große Firmenspiel seit langem Mode, und nicht von ungefähr sind viele der deutschen Firmenbastler amerikanisiert. Einer von ihnen, Klaus Kleinfeld, tut alles dafür, dass man den Traditionskonzern Siemens bald nicht mehr wiedererkennt.

,,Fix it, sell it or close it''

Wo seine Vorgänger mit Krisensparten noch Geduld hatten, hat er die Losung ausgegeben: ,,Fix it, sell it or close it''. Was nicht Gewinn bringt, wird umgebaut, abgestoßen oder dicht gemacht. Die Handy-Sparte ist verkauft und insolvent, die Kommunikationssparte in ein Gemeinschaftprojekt mit Nokia eingebracht, der Automobilzulieferer VDO im Angebot.

Ein gewaltiges Monopoly ist hier im Gange, das zornig macht. Klar, dass man die Welt nicht aufhalten kann, dass keine Firma Bestandsschutz hat und dass stirbt, wer sich nicht mehr bewegt. Veränderung nur um der Veränderung willen aber ist sinnlos, das müsste schon die Erfahrung lehren.

Zweidrittel oder gar Dreiviertel aller Fusionen sind am Ende kein Erfolg, sagen einschlägige Studien. Schief laufen die Dinge regelmäßig in der sogenannten Post-Merger-Phase, der Zeit nach der Firmenhochzeit, wenn die Welt-Strategen sich längst dem nächsten Spielzeug zugewandt haben.

Von Investoren getrieben

Klar, dass diese Entwicklung von Investoren getrieben ist. Siemens gehört heute zu mehr als der Hälfte ausländischen Eigentümern. Bei der Deutschen Telekom ist ein amerikanischer Finanzinvestor mit fünf Prozent beteiligt und hat mit dafür gesorgt, den allzu bedächtigen Vorstandschef Kai-Uwe Ricke zu stürzen.

Manche Manager bekennen hinter vorgehaltener Hand, dass sie Getriebene sind, andere bestreiten vehement - und widerlegen das Dementi regelmäßig durch ihr Handeln.

Wer sich zur Wirtschaftselite zählt, wer sich die Führung eines Weltkonzerns zutraut und dafür jährlich etliche Millionen Einkünfte kassiert, der müsste auch das Rückgrat haben, Nein zu sagen; der müsste nachhaltig arbeiten, auf lange Sicht organisieren und investieren können und lieber Rat beim Kunden als beim Investmentbanker suchen.

Vorbild Mittelstand

Solche Manager, ja, gibt es noch im deutschen Mittelstand - aber es gibt sie kaum noch an den Konzernspitzen.

© SZ vom 15.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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