Deutsche Erntehelfer:Nach einer Woche ist die Hälfte weg

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Der Streit über die Neuregelung zum Einsatz von inländischen Saisonarbeitern verschärft sich.

Sibylle Haas

Der Streit über den Einsatz deutscher Arbeitsloser als Erntehelfer spitzt sich zu. Während das Bundesarbeitsministerium sein Ziel bei der Neuregelung für Saisonarbeiter erreicht sieht, äußerte sich das Bundeslandwirtschaftsministerium kritisch.

Auf einem so genannten Gurkenflieger pflückt eine polnische Erntehelferin Spreewälder Einlegegurken. (Foto: Foto: dpa)

Seit Jahresbeginn müssen zehn Prozent aller Saisonarbeiter aus Deutschland stammen. Dies trifft vor allem die Bauern. Bei ihnen wächst der Unmut über den Einsatz Arbeitsloser. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, spricht von einem Scheitern - die Neuregelung habe sich nicht bewährt. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, fordert ein härteres Durchgreifen gegen solche Arbeitslose, die Erntearbeit ablehnen, obwohl sie gesundheitlich dazu in der Lage wären.

Quotierung inländischer Arbeitssuchender

Die neue Regelung für die Zulassung mittel- und osteuropäischer Saisonarbeiter sieht für 2006 und 2007 eine Quotierung vor. Danach sollen jährlich bis zu 32.500 inländische Arbeitssuchende anstelle mittel- und osteuropäischer Saisonarbeiter vermittelt werden. 2005 wurden 325.000 mittel- und osteuropäische Saisonarbeiter in Deutschland zugelassen.

"Wir haben die Vorgabe der Politik erfüllt und in diesem Jahr zehn Prozent weniger Arbeitserlaubnisse für ausländische Erntehelfer ausgestellt", betont BA-Chef Weise. Ob es aber auch gelungen sei, zehn Prozent der Erntehelferstellen mit inländischen Kräften zu besetzen, könne er nicht sagen. Es gebe noch keine entsprechenden Daten.

Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums äußerte sich ähnlich. Aussagekräftige Zahlen werde es erst im Herbst nach der Jahresernte geben. Das Ministerium sehe aber keine Notwendigkeit für grundlegende Änderungen, sagte sie.

Nach einer Woche kommt nur die Hälfte wieder

Nach Angaben der BA befinden sich bundesweit etwa 40.000 Freiwillige in dem Pool für Erntehelfer. "Was dann auf den Feldern geschehen ist, dafür gibt es positive und negative Beispiele", sagte Weise. Eine Befragung der Fachverbände Mitte Juni ergab, dass bereits nach einer Woche nur noch die Hälfte der inländischen Saisonkräfte weiter zur Arbeit kamen.

"Die Motivation fehlt", meint ein Sprecher des Bauernverbandes. Wer arbeitslos sei, wolle langfristig eine Stelle haben und keinen Saisonjob. "Außerdem handelt es sich oft um Knochenarbeit, die nicht jeder machen kann oder will", sagte er. Vor allem die bald beginnende Gurkenernte, bei der die Pflücker auf einem Brett liegend das Gemüse ernten, sei sehr anstrengend.

Polnische Arbeitskräfte seien dagegen oft seit Jahren als Wanderarbeiter unterwegs und geübt. "Viele nehmen sich Urlaub für die Ernte und bessern ihr Einkommen auf", so der Sprecher. "Sie haben auch Routine bei der Ernte und im Umgang mit dem Obst und Gemüse." Die Ernteausfälle seien damit viel geringer als beim Einsatz von deutschen Arbeitslosen.

Motivation und Training

Nach Darstellung der Bundesanstalt für Arbeit ist nur ein Viertel aller Landwirte bereit, inländische Kräfte zu beschäftigen. Die BA hat versprochen, im nächsten Jahr die Versäumnisse zu beheben. Die Arbeitslosen sollen besser motiviert und für die Erntearbeit trainiert werden. Der Bauernverband will davon aber nichts wissen. Bauern-Präsident Sonnleitner fordert für 2007 die Freizügigkeit osteuropäischer Erntehelfer.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Gerd Müller (CSU), sieht eine Änderung der Regelung und harte Sanktionen gegen Arbeitsunwillige für unumgänglich. Es gehe nicht an, dass die "Probleme des deutschen Arbeitsmarktes auf dem Rücken der Landwirtschaft gelöst" würden, sagte Müller in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Leistungen müssten bei "offensichtlicher Arbeitsverweigerung sofort gestrichen" werden. Umgekehrt sollten Erntehelfer, die sich bewähren, deutlich stärkere finanzielle Anreize erhalten.

"Sklaverei"

Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn sprach sich gegen Sanktionen für Arbeitslose aus, die einen solchen Einsatz verweigern. Unter Zwang würden sich die von den Bauern beklagten Ernteausfälle weiter erhöhen.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt hält die neue Erntehelfer-Regelung für notwendig. "Das ist eine Entlastung für den Arbeitsmarkt, weil sich die Betriebe nicht mehr darum gekümmert haben, regionale Arbeitskräfte zu bekommen", sagte Holger Bartels, Fachmann für Arbeitsmarktpolitik und Landwirtschaft bei der Gewerkschaft. Positiv findet er, dass die Arbeitsbedingungen der Erntearbeiter wieder diskutiert werden: "Wenn acht Männer auf zehn Quadratmetern leben müssen, ohne dass sie eine ordentliche Waschmöglichkeiten haben, dann werden sie gehalten wie Sklaven."

© SZ vom 10.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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