Deutsche Bank:Viele Kandidaten für den Chefsessel, aber kein Kronprinz

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Noch hält die Deutsche Bank an ihrem Vorstandschef Josef Ackermann fest, doch die schwierige Suche nach einem möglichen Nachfolger hat begonnen.

Helga Einecke

Sollte Josef Ackermann als Chef der Deutschen Bank stürzen, gibt es keinen natürlichen Nachfolger. Aufsichtsratschef Rolf Breuer ("Ich habe die Denkkappe auf") kündigte an, ein Mann aus dem eigenen Führungskreis wäre ihm dann am liebsten.

Dieser Führungskreis besteht aus vier Vorständen und sechs Leitern von globalen Geschäftsfeldern. Am mächtigsten sind zweifelsohne die beiden Investmentbanker, der Inder Anshu Jain (42) und der Amerikaner Michael Cohrs (49). Sie steuern von London aus die Kapitalmarktgeschäfte der Deutschen Bank und tragen zwei Drittel zu den Erträgen des Hauses bei.

Breuers Verhalten gibt Rätsel auf

Cohrs gilt als enger Vertrauter Ackermanns, Jain als exzellenter Derivate-Spezialist. Aber für die Führung der Bank dürften beide nicht zu gewinnen sein, weil sie in ihren derzeitigen Positionen deutlich mehr Geld verdienen als Ackermann und weil sie als angelsächsisch geprägte Banker wenig Verständnis für Eigenheiten des deutschen Marktes haben. Aber das Plazet der beiden müsste einer neuer Chef schon haben, denn ohne sie ist die Bank kaum etwas wert.

Ackermann hat wie jeder Spitzenbankier einen Stellvertreter. Das ist Tessen von Heydebreck, mit 60 Jahren der Älteste in der Vorstandsrunde. Er verantwortet die Bereiche Kultur, Personal, Recht, Revision. Sein Alter und seine Gebiete sprechen nicht für eine dauerhafte Ackermann-Nachfolge, denn gefragt ist ein Chef der die beiden Bereiche Investmentbanking und Privatkundengeschäft gleichermaßen im Griff hat, der die angelsächsische Kultur begreift und die deutschen Wünsche nicht vom Tisch wischt.

Da würde Clemens Börsig (57) schon besser passen. Er ist Chefkontrolleur, hat den Kontakt zu den Aktionären, vertritt Ackermann bei der Präsentation vor wichtigen Kunden. Man könnte auch sagen: Er agiert als oberster Manager für Investor Relations.

Aber Börsig ist als ehemaliger Industriemann Seiteneinsteiger, war früher bei Mannesmann, Bosch und RWE, und kam erst 1999 zur Deutschen Bank. Früher galt die Regel, dass so genannte "Rechenknechte" nie ganz an die Spitze kommen. Früher gab es aber auch Alfred Herrhausen, der es als Industriemanager ganz nach oben schaffte.

Gute Chancen werden Jürgen Fitschen (57) eingeräumt. Er ist seit einem Jahr der "Mr. Deutschland" der Bank. Weil diese sich Vorwürfe anhören musste, sie vernachlässige das heimische Firmengeschäft. Darüber hinaus kümmert er sich weltweit um alle regionalen Märkte.

Fitschen kann die Bank gut repräsentieren, denn er kennt sie und ihr Firmenkundengeschäft seit 30 Jahren. Ihn zeichnet auch aus, dass er zehn Jahre bei der Citibank war, einer ebenfalls international operierenden Bank. Danach kehrte er zur Deutschen Bank zurück, trieb das Geschäft in Asien voran, und startete 1997 in die Führung der Frankfurter Zentrale durch. Seine guten Umgangsformen werden von manchen missverstanden - als Zeichen, dass er nicht genügend Härte zeigt, wenn es um interne Auseinandersetzungen geht.

Da dürfte Rainer Neske (41) von anderem Kaliber sein. Er geht das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank aggressiv an, sticht gern die Konkurrenz aus. Für Furore sorgte er im eigenen Haus, weil er den - im Vergleich zum Investmentbanking - deutlich schwächeren Bereich schnell nach vorne brachte, nachdem sein Vorgänger Herbert Walter zur Dresdner Bank gewechselt war.

Neske kommt aus dem Bereich Informatik, ist 15 Jahre bei der Deutschen Bank und erlebte den Zick-Zack-Kurs des Bankenstiefkinds vom erwogenen Verkauf über die Bank 24 bis zur heutigen Struktur mit. Mit den Investmentbankern verbindet ihn, dass er deren Produkte an die Privatkunden verkauft. Auf ihn treffen ähnliche Vorbehalte wie auf von Heydebreck zu, aber er gilt als zu jung für die Position.

Unter den Beobachtern gibt es auch Stimmen, die für eine Rückkehr zur Doppelspitze für die Deutsche Bank plädieren, wie es vor Herrhausen üblich war. Die Machtfülle von Ackermann hat in der Vergangenheit intern für Unmut gesorgt.

Die sechs Leiter der Geschäftsfelder berichten alle nur an ihn. Die übrigen drei Mitglieder des Vorstandes bleiben beim Tagesgeschäft damit außen vor. Das soll Ulrich Cartellieri, der im Aufsichtsrat der Bank als graue Eminenz galt, beanstandet haben. Er wollte wenigstens die beiden Investmentbanker Cohrs und Jain mit ins Vorstandsboot nehmen, konnte sich aber mit diesem Anspruch nicht durchsetzen und verließ schließlich das Kontrollgremium der Bank.

Andere Beobachter rätseln darüber, warum Ackermanns oberster Kontrolleur Breuer diesen öffentlich demontierte. Einige halten es für Dummheit, andere vermuten einen Racheakt. Schon Breuers Vorgänger Hilmar Kopper meinte einmal, es menschele eben auch in den obersten Etagen der Frankfurter Zwillingstürme.

© SZ vom 23.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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