Deutsche Bank:Ober macht auf Unter

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Mit einem kuriosen Wechselspiel tauscht die Deutsche Bank ihren umstrittenen Aufsichtsratsvorsitzen Rolf Breuer gegen den bisherigen Finanzvorstand Clemens Börsig aus. Gute "Corporate Governance" sieht anders aus.

Paul Katzenberger

Kaum jemand beklagt den Reformstau in Deutschland lauter als die hiesigen Großunternehmen. Der Arbeitsmarkt müsse flexibler und die Arbeitszeit länger werden, das Mitbestimmungsrecht von Arbeitnehmervertretern beschnitten und die Gangart der internationalen Kapitalmärkte endlich akzeptiert werden, lautet die vielstimmige Kritik aus den Konzernzentralen.

Josef Ackermann und Clemens Börsig: Wer wem berichtet, ist eine Frage des Zeitpunkts. (Foto: Fotos: AP, dap)

Wenn allerdings die eigene Reformbereitschaft angesagt ist, versagen die Wirtschaftskapitäne in großer Regelmäßigkeit. Jüngstes Beispiel: Die Berufung des bisherigen Finanzvorstands der Deutschen Bank, Clemens Börsig, zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden des Instituts.

Führungsstruktur verändert

An Kuriosität ist dieses Wechselspiel wohl kaum zu überbieten - vor allem vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Bank ihre Führungsstruktur erst vor wenigen Wochen entscheidend verändert hat. Bestand der Vorstand des Geldhauses jahrzehntelang aus formal gleichrangigen Mitgliedern, von denen lediglich einer die Funktion des so genannten Sprechers ausübte, so änderte sich dies im Februar dieses Jahres: Der bisherige Sprecher Josef Ackermann wurde zum neuen Vorstandsvorsitzenden promoviert und somit auch rein formal in eine höherrangige Position als seine bisherigen Vorstandskollegen gehievt.

Der neue Chef des damaligen Finanzvorstands Clemens Börsig hieß mit einem Mal also Josef Ackermann. Doch nun zeigt sich, wie schnell sich Karrieren in der deutschen Finanzwelt manchmal entwickeln können. Schließlich muss Josef Ackermann nun künftig eben jenem Clemens Börsig Rede und Antwort stehen, der bislang eigentlich doch eher ihm berichten musste.

Es darf bezweifelt werden, ob der bisherige Zuarbeiter Börsig die Unabhängigkeit und Distanz für sein neues Amt tatsächlich aufbringen kann. Denn schließlich soll er auf seinem Posten das operative Geschäft der Bank kontrollieren und - wenn notwendig - Sanktionen gegenüber seinem alten Vorgesetzten verhängen. Man muss nicht unbedingt Vorstand einer großen Aktiengesellschaft sein, um zu erkennen, dass eine solche Konstruktion suboptimal ist: Wer tritt bei Unregelmäßigkeiten seinem alten Chef schon gern auf die Füße? Den Prinzipien guter Unternehmensführung entspricht das nicht.

Umstritten

Dabei hätte Deutschlands größtes Geldhaus allen Grund gehabt, bei dieser Personalie mit großem Fingerspitzengefühl vorzugehen. Denn mit dem bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Rolf Breuer und Vorstandschef Josef Ackermann waren bis dato zwei äußerst umstrittene Figuren für das Institut verantwortlich: Breuer unterlag vor dem Bundesgerichtshof in einem Schadenersatzprozess gegen den Medienunternehmer Leo Kirch und Josef Ackermann wird die gegen ihn gerichteten Untreue-Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Mannesmann-Prozess nun schon seit Jahren nicht los.

Doch offensichtlich glaubt die Deutsche Bank auch in einer solch prekären Lage, es mit einer guten "Corporate Governance" nicht ganz so genau nehmen zu müssen. Warum auch? Schließlich wird von einer Mehrheit der 30 Dax-Unternehmen gegen den ein oder anderen Punkt des sogenannten Ehrenkodex für gute Unternehmensführung verstoßen.

Dieses Regelwerk, das immerhin deutsche Top-Manager im Rahmen einer Regierungskommission erarbeitet haben, empfiehlt die Berufung von ehemaligen Vorständen in den Aufsichtsrat nur in Ausnahmefällen und bei besonderer Begründung. In der Praxis ist die Ausnahme allerdings die Regel: So hatten etwa Manfred Schneider bei Bayer, Heinrich von Pierer bei Siemens und Jürgen Weber bei der Lufthansa kein Problem damit, vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsratsvorsitz zu wechseln. In immerhin 16 der 30 Dax-Gesellschaften sitzen heute ehemalige Vorstände im Aufsichtsrat.

Sturmlauf des BDI

Gegen diese besonders in Deutschland verbreitete Unart wollte vor zwei Jahren der damalige EU-Binnenmarktskommissar Frits Bolkestein vorgehen: Der Niederländer brachte EU-weit gültigen Richtlinien ins Gespräch, wonach Vorständen eine fünfjährige Sperrzeit für die Annahme von Aufsichtsratsmandaten auferlegt werden sollte. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lief gegen diese Pläne damals erfolgreich Sturm. Die Reformwüste Deutschland lebt, und zwar nicht nur wegen den als ewiggestrig verschrienen Gewerkschaften.

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