Deutsche Bahn: Prominenter Compliance-Chief:Der Unbestechliche

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Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner geht zur Deutschen Bahn. Für seinen Kampf gegen Korruption ist er bekannt - und nun geht er zu dem Unternehmen, das er für besonders korruptionsanfällig hält.

Hans Leyendecker

Mit seinen grauen Haaren wäre der schlanke, hochgewachsene Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner optisch eine fabelhafte Besetzung für die Serie "Allein gegen die Mafia'' gewesen, aber wenn ihm einer mit Palermo oder Mailand kam, winkte der 58-jährige Strafverfolger nur ab: "Da brauche ich keinen Nachhilfeunterricht. Das kenne ich aus eigener Anschauung.''

Seit zwanzig Jahren beschäftigt sich Schaupensteiner mit dem verdeckten Geben und Nehmen. Er ist darüber das Gesicht des Kampfes gegen die Korruption in Deutschland geworden: Er saß in Talkrunden von Sabine Christiansen, Maybrit Illner und bei Ulrich Wickert, trat auf Kongressen auf und schrieb mit der kämpferischen Bielefelder Kriminologin Britta Bannenberg das Buch "Korruption in Deutschland - Porträt einer Wachstumsbranche!''.

Fernsehteams drängeln sich in seinem Frankfurter Büro für ein paar kernige Sätze über das Gesetz über Abgeordnetenbestechung in Deutschland. Dass "politische Korruption fast straffrei ist'', sagt er dann, und es scheint ihn immer noch zu ärgern. "Aber die halten das international nicht durch''.

Ab 16. Juli Chief Compliance Officer der Deutschen Bahn

Schaupensteiners Karriere ist nun selbst eine Nachricht geworden. Der Frankfurter Abteilungsleiter für Korruptionsbekämpfung wird ab 16. Juli als Chief Compliance Officer bei der Deutschen Bahn in Berlin gegen Bestechung und Günstlingswirtschaft kämpfen, die die Bahn immer wieder erschüttern.

Dass er auf die andere Seite des Schreibtisches wechselt, ist folgerichtig und irritierend zugleich: Einer vom Geburtsjahrgang 1948 stellt sich jetzt vermutlich seiner letzten beruflichen Herausforderung. Doch die Justiz hat auch nichts getan, um Deutschlands wohl bekanntesten Staatsanwalt in ihren Reihen zu halten.

Im Gegenteil. Man müsse ihn bremsen, erklärten Bürokraten im hessischen Justizministerium, weil zu viel öffentlich auf seine Person zulaufe. In seiner Spezialabteilung, die 1993 als erste ihrer Art in Deutschland gegründet wurde, arbeiten bis heute nur vier Staatsanwälte, in München sind es zwölf.

Sein Vorschlag, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung in Hessen einzurichten, wurde verworfen. Stattdessen reifte der Plan des Justizministeriums, von Spätsommer an in der Frankfurter Staatsanwaltschaft eine zweite Abteilung für Korruptionsbekämpfung einzurichten, die von einem anderen Abteilungsleiter geführt wird. Das alles dürfte seine Entscheidung für einen Wechsel aus dem Staatsdienst in die Privatwirtschaft begünstigt haben.

Direkter Draht zu Mehdorn

Schaupensteiner, von Kollegen anderer Staatsanwaltschaften nur gedehnt "der Schaupensteiner'' genannt, kam eher zufällig zur Korruptionsbekämpfung. Als junger Mann hatte er als Anwalt für Wettbewerbsrecht gearbeitet, dann war er Richter für Handelssachen und wechselte zur Staatsanwaltschaft.

Bald darauf stieß er auf seinen ersten Fall. Ein Frankfurter Bauunternehmer hatte einem Techniker des Straßenbauamtes in einem Café ein paar hundert Mark zugesteckt. Der junge Staatsanwalt war damals noch empört, dass ein Beamter so etwas machte. Später wurde Schaupensteiners Satz von der Korruption, die "metastasenartig in den Staatskörper eingedrungen'' sei, zu einem geflügelten Wort.

Er tritt seit Jahren für ein schärferes Vergaberecht ein, auch für ein schärferes Unternehmensstrafrecht, verlangt ein bundesweites Korruptionsregister und mehr Kontrollen in den Unternehmen.

Die Deutsche Bahn hat er stets als den "korruptionsanfälligsten Konzern im Land'' bezeichnet, weil das Unternehmen, das auch im Ausland Geschäfte macht, über neun Milliarden Euro pro Jahr zu verteilen hat.

Aber er hat auch den Kampf der Bahn gegen Korruption als vorbildlich gepriesen. Einen Einblick in den Bahnbetrieb hat er sich verschaffen können, weil er seit 2001 insgesamt 15 Strafverfahren gegen mehr als zweihundert Personen im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten bei der Bahn führte.

Dabei lernte er auch Bahnchef Hartmut Mehdorn kennen. Dessen forsche Art gefiel ihm. Bei der Bahn arbeitet er nun für die Compliance-Abteilung, die unmittelbar mit dem Vorstand zusammenarbeitet. Der direkte Draht war seine Bedingung, sagt Schaupensteiner.

Die Justiz hat ihn immerhin für fünf Jahre beurlaubt. Sein Vertrag bei der Bahn läuft unbegrenzt. Vor ein paar Jahren hatte Schaupensteiner, dessen Bruttoverdienst bislang bei 5.200 Euro monatlich liegt, über einen Wechsel in die Privatwirtschaft nachgedacht, aber er hätte damals auf seine Pensionsansprüche verzichten müssen. Das muss er diesmal nicht.

© SZ vom 31.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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