Deutsche Bahn:Die Stunde der Spezialisten

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Erst Piloten, dann Klinikärzte, jetzt Lokführer: Die Zeit der relativ bequemen Einheits-Tarifverträge ist vorbei. Wie lange braucht die Bahn, um das zu kapieren?

Detlef Esslinger

Am Ende sagte der Chef der Gewerkschaft, es sei "Tarifgeschichte geschrieben'' worden. Endlich gebe es nun einen eigenen Tarifvertrag, auch wenn "schwere Kröten'' zu schlucken gewesen seien.

Aber das große Ziel war erreicht: nicht mehr pauschal wie alle anderen Beschäftigten behandelt zu werden, sondern besondere Belastungen gesondert in Rechnung stellen zu dürfen.

So zufrieden äußerte sich im Juni 2006 der Chef des Marburger Bundes, nachdem es gelungen war, mit einem drei Monate langen Arbeitskampf einen eigenen Tarifvertrag für Klinikärzte zu erstreiten.

Der Konflikt zwischen der Lokführer-Gewerkschaft GDL und der Bahn wird nun einen ähnlich dramatischen Verlauf annehmen. Nach dem Scheitern der Gespräche vom Donnerstag läuft alles auf Urabstimmung und unbefristeten Streik zu.

Die GDL hatte zuvor die Einladung der Bahn zu einem Vorgespräch über "Berufs- und Ausbildungsbedingungen'' ausgeschlagen. Die Botschaft beider Seiten bleibt eindeutig: Die Bahn will über alles reden, nur nicht über einen separaten Tarifvertrag für die Lokführer. Die GDL wiederum will nur darüber reden.

Es sind Auseinandersetzungen, die typisch sind, wenn sich eine Berufsgruppe aus der sogenannten Tarifsolidarität verabschiedet. So war es bei den Ärzten, so war es 2001 bei den Piloten, so ist es nun bei den Lokführern.

Es geht nicht mehr um Argumente

Berufs-Gewerkschaften fordern zunächst Lohn-Erhöhungen in absurder Höhe, um Verhandlungsmasse aufzubauen und der Gegenseite klarzumachen: Worauf immer wir uns einigen, es muss ein eigener Tarifvertrag sein; was ihr mit anderen Gewerkschaften vereinbart habt, übernehmen wir nicht mehr.

Die werfen daraufhin der Berufs-Gewerkschaft vor, sich auf Kosten der anderen Beschäftigten bereichern zu wollen. Und die Arbeitgeber behaupten, alle Beschäftigten hätten jeweils besondere Belastungen, da könne man keine Ausnahme für eine bestimmte Berufsgruppe machen.

Solche Argumente kommen in einer Phase, in der es nicht mehr um Argumente geht. Die GDL hat sich so sehr festgelegt, dass jeder Verzicht auf einen eigenen Tarifvertrag selbstmörderisch wäre.

Dass sie nun ihre Lohnforderung noch erhöht, zeigt, dass nicht nur Bahn-Chef Mehdorn, sondern auch sie etwas von Eskalation versteht. Ein solches Vorgehen ist fast schon unprofessionell - dennoch wird die Bahn am Ende akzeptieren müssen, was andere auch akzeptieren mussten: dass die Zeit des relativ bequemen, einheitlichen Tarifgefüges vorbei ist.

Und sie wird im Lauf der Jahre die Erfahrung machen, dass absurde Forderungen nicht die Regel sein werden. So war es bei den Piloten, so ist es auch seit fünf Jahrzehnten bei den Zeitungsredakteuren: Ist das Grundanliegen durchgesetzt, finden die Gewerkschaften zum Maß zurück.

Die Frage ist, wie lange die Bahn braucht, um die neuen Verhältnisse zu akzeptieren. Im Fall der Ärzte brauchte es dazu 100 Millionen Euro. So viel kostete deren Streik die Unikliniken.

© SZ vom 20.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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