Deutsche Bahn:Bitte Notbremse ziehen!

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Ohne viel Aufhebens hat das Kabinett den Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn durchgewinkt. Doch mit dem beispiellos komplizierten Regelwerk verspielt der Bund die Chancen der Bahn-Privatisierung.

Michael Bauchmüller

Wenn Regierungshandeln darin besteht, reibungslos einen Koalitionsvertrag abzuarbeiten, hat das Bundeskabinett am Dienstag ganze Arbeit geleistet. Es hat ohne viel Aufhebens den Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn durchgewinkt; viel schneller, als nach allen Streitereien darüber zu erwarten war.

Bestünde Regierungshandeln allerdings darin, möglichst gute Entscheidungen für dieses Land zu treffen, hat das Kabinett auf ganzer Linie versagt. Es hat ein Gesetz verabschiedet, für das sich die Regierenden der überübernächsten Legislaturperiode bedanken werden, für das Steuerzahler Milliarden zahlen müssen, das den Bahnkunden nichts, aber auch gar nichts bringt.

Das Gesetz ist so unglückselig wie seine Entstehungsgeschichte. Von Anfang an waren die Fronten klar: Die Union wollte den Bahnkonzern vom Schienennetz trennen, um so die Schiene für Konkurrenten zu öffnen. Führende Sozialdemokraten wollten genau diese Trennung verhindern: aus Angst vor den großen Bahn-Gewerkschaften, in der Hoffnung auf einen ganz großen, starken deutschen Bahnkonzern.

Bund zahlt Ablöse für das eigene Schienennetz

Die Vernunft blieb auf der Strecke. Sie wich einem Kompromiss, der alle bedient, aber keinem hilft. Statt das Netz ganz in Staatshand zu belassen, es vielleicht auf Zeit an die Bahn zu verpachten, soll der Bund es nun nur noch rein juristisch besitzen. Faktisch geht es für die nächsten 15 Jahre an die Deutsche Bahn. Statt als Eigentümer allen Einfluss auf die Schiene zu behalten, sollen nun Behörden die Kontrolle übernehmen.

Und für Investitionen und Reparaturen sorgt nicht der Eigentümer der Schienenwege, sondern ein bürokratischer Albtraum namens ,,Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung''. Haarklein soll sie regeln, wo der De-facto-Eigentümer Deutsche Bahn was investiert.

Das nötige Geld gibt zum großen Teil der Staat: Bis zu 37,5 Milliarden Euro bis 2023. Damit nicht genug, muss der Bund für seine eigene Infrastruktur dereinst auch noch Ablöse zahlen. Das klingt absurd, ist es auch, entspricht aber deutschem Bilanzrecht.

Was für ein Besitz wäre das Netz sonst für die Bahn, wenn sie ihn nach Ablauf der Frist verschenken müsste? Ob der Bund in 15 Jahren diese Ablöse aufbringen will, wie hoch sie sein wird, steht freilich auf einem anderen Blatt: Die Frist trägt ihre Verlängerung gewissermaßen schon in sich. Die Bahn darf durchaus darauf spekulieren, dauerhaft Besitzerin des Netzes zu bleiben.

Das alles passiert in einer Zeit, in der etwa Stromkonzerne in der Kritik stehen, gerade weil sie im Besitz der Stromnetze sind. Das, so beanstandet die Brüsseler EU-Kommission, lade zum Machtmissbrauch geradezu ein; sie will die Unternehmen notfalls sogar zum Verkauf der Netze zwingen. Nur bei der Bahn, da spielt diese Erwägung offenbar keine Rolle. Zumindest nicht im Bundeskabinett.

Es muss wohl das Geheimnis dieser Koalition bleiben, warum sie nicht zu einer klaren Lösung imstande war. Selbst die völlige Übertragung des Netzes an die Bahn, so wenig sie für die Bahnkunden gebracht hätte, wäre eine elegantere Lösung gewesen als diese.

Und die strikte Trennung von Netz und Bahnbetrieb wäre für den Schienenverkehr allemal besser gewesen. Sie hätte Verantwortlichkeiten klar geregelt, den Wettbewerb vorangebracht - und die Bahn hätte dennoch das Zeug zum Börsenliebling gehabt. Die Koalition aber wählte die schlechteste aller Varianten: den Mittelweg.

Zum Glück ist es noch nicht zu spät. In den Ländern formiert sich Widerstand gegen das Gesetz, auch Gerichte werden sich womöglich noch damit befassen müssen. Der größte Haken des Regierungskonzepts könnte so noch zur Rettung werden: Es lässt sich nämlich gar nicht so leicht verändern, viel zu schnell gerät es in Konflikt entweder mit dem Grundgesetz oder dem Bilanzrecht. Bliebe nur noch eine Lösung: das Gesetz in die Mülltonne zu werfen und ein neues zu ersinnen. Für das Land wäre dies das Beste.

© SZ vom 25.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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