Der willkommene Oligarch:Die Russen sind wieder da

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Die FTD Waggonbau in Dessau montierte zu DDR-Zeiten Kühl- und Thermowagen für die sowjetische Staatsbahn. Die Mitarbeiter legten ihr Erspartes zusammen, um ihre Jobs zu retten. Nun übernahme ein Oligarch ihre Firma - und alle sind froh.

Steffen Uhlmann

Die Sonne blinzelt, Wind pfeift um die Ecken. Horst Heinze läuft über den aufgeräumten Platz hinüber zu den Hallen, in denen einst Kühlzüge für die Sowjetunion montierten wurden. Aus dem Inneren dröhnt der Lärm von Maschinen auf das ansonsten verwaiste Areal.

,,Der letzte Kühlwagen ging 1993 von hier aus auf die lange Reise nach Osten'', sagt der Betriebsrat der FTD Fahrzeugtechnik AG Dessau in Sachsen-Anhalt. ,,Seitdem hat kein Waggon mehr die Hallen in Richtung Russland verlassen.''

Damals ging eine Ära zu Ende, in der die Dessauer Waggonbaufabrik mit ihren 6000 Beschäftigten mehr als 40.000 Kühl- und Thermowagen für die sowjetische Staatsbahn montiert hat.

Sicher geglaubter Absatzmarkt

Doch mit dem Einzug der Marktwirtschaft und dem Zerfall des Sowjetreichs brach der sicher geglaubte Absatzmarkt zusammen - die Dessauer standen auf einmal ohne Arbeit da. Doch jetzt laufen die Geschäfte wieder, und das liegt ausgerechnet auch an den Russen. Und an Joachim Pfannmüller.

Den Hamburger Unternehmensberater, heute Vorstandschef der FTD Fahrzeugtechnik, hatte die Treuhand beauftragt, das Werk mit den 750 Mitarbeitern abzuwickeln - gegen den Widerstand des Großteils der Belegschaft.

Doch Pfannmüller wurde vom Abwickler zum Existenzgründer: Mit 175 Waggonbauern gründete er die FTD Fahrzeugtechnik. Die übrigen Mitarbeiter kamen in einer Auffanggesellschaft und in dem Betrieb unter, der das weitläufige Areal bewirtschaftete.

Zulieferer von Türen, Karosserien und Antrieben

Das Experiment gelang. Das Unternehmen etablierte sich schnell als Zulieferer von Türen, Karosserien und Antrieben bei großen Schienenfahrzeugbauern wie Siemens, Bombardier und Alstom - auch dank des Wissens, das sich über viele Jahrzehnte in den Dessauer Konstruktionsbüros und Montagehallen angesammelt hatte.

Pfannmüller musste damals, Mitte der neunziger Jahre, viel Überzeugungsarbeit leisten, ehe die Mitarbeiter bereit waren, sich mit ihrem Ersparten an dem neu gegründeten Unternehmen zu beteiligen.

Heute sind sie froh über ihre Entscheidung: Ihre Einlage ist inzwischen längst zurückgezahlt, sie blieben auch Anteilseigner, als das Unternehmen 1999 in eine Aktiengesellschaft umgegründet wurde.

Trotzdem hatte das Unternehmen lange Zeit ein großes Problem: Für Großaufträge, etwa von der Deutschen Bahn oder internationalen Verkehrsunternehmen, reichte die Finanzkraft nicht aus. ,,Wir brauchten dafür, das wurde mir schnell klar, einen starken Partner'', sagt Pfannmüller.

Für einen Börsengang nicht tauglich

Für einen Börsengang war der Betrieb in Dessau mit einem Jahresumsatz von 25 Millionen Euro und geringen Gewinnmargen jedoch nicht tauglich.

Auch eine Liaison mit Bombardier, Siemens oder Alstom kam nicht in Frage, weil die Konzerne selbst genug zu tun hatten, ihre eigenen Standorte zu sichern.

Da half dem heute 66-jährigen Vorstandschef ein Zufall weiter. Im Sommer 2005 lernte er in Magdeburg einen Unternehmensberater kennen, der darauf spezialisiert ist, deutsche und russische Unternehmen zusammenzubringen.

Russischer Branchenprimus

Dann ging alles ganz schnell. Bald standen Vertreter der Moskauer Transmashholding in Dessau vor der Tür, und wenig später war der Kaufvertrag unterschrieben. Der russische Branchenprimus setzte 2005 mit Elektro- und Diesellokomotiven, Reisezug-, Metro- und Güterwagen sowie Motoren, Generatoren und Komponenten über 1,5 Milliarden Dollar um.

Besitzer ist der Oligarch Iskander Makhmudow, der mit Kupferminen wohlhabend wurde und laut dem Magazin Forbes in der Rangliste der reichsten Russen auf Platz 15 steht.

Häufig sind Belegschaften skeptisch, wenn sich russische Investoren mit ihren Rohstoffdollars in Westeuropa einkaufen. Betriebsrat Heinze aber sagt, er und seine Kollegen hätten keine Berührungsängste. ,,Wir sind die Russen gewöhnt und haben zu DDR-Zeiten keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht.'' Freundschaft wolle er das nicht nennen, eher Einsicht in die Notwendigkeit.

Jeder Kleinaktionär verdiente gut an dem Deal

Pfannmüller kann sich ein Lachen nicht verkneifen, als er die vorsichtigen Erklärungsversuche seines Betriebsrates hört. Schließlich habe jeder Kleinaktionär an diesem Deal gut verdient, ,,mindestens einen neuen Kleinwagen'', sagt er.

15 Unternehmen hat die Transmashholding bereits gekauft, der Dessauer Betrieb ist dabei der erste in Westeuropa. Zu Gesicht bekommen haben die Dessauer den russischen ,,Kupfer-König'' bisher noch nicht. Nur Transmash-Präsident Dmitry Kommissarow hat die deutsche Neuerwerbung kurz inspiziert.

Ein Jahr sind die Dessauer nun im Besitz des Moskauer Konzerns. Im Aufsichtsrat sitzen außer Heinze nur noch fünf Russen. Das deutsche Vorstandstrio wurde um einen Transmash-Vertreter erweitert.

Transmash wolle das FTD-Wissen für sich nutzen und in Dessau neue Züge für den russischen und asiatischen Markt entwickeln, sagt der Vorstandschef. Konkrete Projekte nennt er aber nicht. Auch nach der Übernahme ist noch kein komplett neu gebauter Waggon von Dessau nach Russland gefahren.

Unterschiedliches Kostenniveau

Betriebsrat Heinze seinerseits macht sich so seine Gedanken, ob es am Ende wirklich gelingen wird, den deutschen Mittelständler in den russischen Großkonzern einzugliedern. Er gibt zu bedenken, dass das Kosten- und Produktionsniveau zwischen Deutschland und Russland noch sehr verschieden sei. Ist die deutsche Tochter also zu teuer? Pfannmüller glaubt fest an die Zukunft der Dessauer, ,,auch wenn es schwierig wird.''

© SZ vom 05.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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