Der Professor aus Heidelberg:Erkenntnisse einer unverletzten Seele

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Fast wäre Paul Kirchhof Bundesfinanzminister geworden, nun doziert er wieder über Bürger und Staat und freut sich mächtig daran. Seinen vierwöchigen Politikausflug sieht er inzwischen fast nur noch positiv.

Ulrich Schäfer

Paul Kirchhof könnte Bundesfinanzminister sein. Er könnte in einem prunkvollen Gebäude an der Berliner Wilhelmstraße residieren. Doch die Wähler haben es nicht so gewollt, was auch daran lag, dass Gerhard Schröder ihn als ,,Professor aus Heidelberg'' beschimpft hat, als Mann ohne politischen Verstand.

Fast-Finanzminister Paul Kirchhof. (Foto: Foto: Reuters)

Nun sitzt dieser Paul Kirchhof in der Berliner Landesvertretung von Baden-Württemberg, in einem schwarzen Ledersessel, und freut sich darüber. Wenn die Leute ihn fragen, ob er der Professor aus Heidelberg sei, dann, erzählt Kirchhof, antworte er: ,,Jawohl, der bin ich - mit Ehre und Stolz.'' Der Titel sei zu einem ,,Qualitätsmerkmal'' geworden.

Viel nachgedacht

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, das kurze Gastspiel des Juristen aus Heidelberg im Berliner Politbetrieb. Er hat seither viel nachgedacht. Er hat ein dickes Buch geschrieben, 384 Seiten: ,,Das Gesetz der Hydra.'' Die Unterzeile sagt alles: ,,Gebt den Bürgern ihren Staat zurück!''

Es ist ein flammendes Plädoyer für einen Staat der Bürger, nicht der Politiker; der kein Geld verteilt, sondern durch gutes Recht ordnet und sich dabei zurückhält. ,,Für den Staat'', sagt Kirchhof, ,,gilt das Gleiche wie für einen Sportler: Nur der Schlanke ist stark.''

Keine Generalabrechnung

Der Herr vom Droemer-Verlag, der die Gäste im halbvollen Saal begrüßt, sagt, dieses Buch werde manche enttäuschen. Es sei nicht ,,die Generalabrechnung einer verletzten Seele, denn diese verletzte Seele gibt es nicht''.

Kirchhof sagt eingangs, es gehe ihm um eine nüchterne Analyse eines ,,vielköpfigen Ungeheuers'', welches, wie die Hydra in der griechischen Sage, die Menschen nicht beschützt, sondern alles verschlingt.

Doch später räumt Kirchhof dann ein, dass in sein Werk manches eingeflossen ist, was er im Wahlkampf erlebt und gelernt hat. Die Politik habe manchmal ,,etwas Partyhaftes'', man feiere ,,Feste vor der Leistung''. Auch im Sommer vorigen Jahres sei das so gewesen, als die Union sich des Sieges sicher wähnte.

Eine Koalition, die niemand wollte

Herausgekommen sei eine Koalition, die niemand wollte, auch er nicht. Wenn er könnte, würde der ehemalige Verfassungsrichter deshalb am liebsten das Wahlrecht ändern: Die Parteien müssten vor der Wahl verbindlich erklären, mit wem sie sich danach zusammenschließen.

Der Block mit den meisten Stimmen bekommt, selbst wenn er nur 40 Prozent der Wähler hinter sich vereint hat, im Bundestag später die Mehrheit der Sitze, plus fünf Sitze, damit er mit verlässlicher Mehrheit regieren kann. Die große Koalition müsse die Ausnahme bleiben, fordert Kirchhof.

"Mit dem kleinen Mikrofon"

Irgendwann an diesem Morgen geht es dann auch um Gerhard Schröder. Er sei ihm nie begegnet, habe nie mit ihm geredet oder telefoniert, sagt Kirchhof. Er selbst habe ,,mit dem kleinen Mikrofon'' gekämpft, in Sälen mit 300 oder auch mal 3000 Menschen; der andere habe das Fernsehen genutzt. Das Volk habe am Ende über eine Steuerreform abgestimmt, die so nicht zur Wahl gestanden habe.

Kirchhof ist davon überzeugt, dass sein vierwöchiger Politikausflug ihm dennoch geholfen hat: ,,Ich habe verloren, was dieses Amt angeht, aber ich habe deutlich gewonnen, was dieses Steuerkonzept angeht'', sagt er. Überall erhalte er dafür Zustimmung, beteuert er, und mag auch nicht den Einwand gelten lassen, dass sein Reformmodell in Berlin als mausetot gilt.

"Es ist nicht hoffnungslos"

Zum Schluss sagt Kirchhof, er werde weiterkämpfen. Er fühle sich verpflichtet und werde auch in Zukunft das ,,beschwerliche Gespräch'' mit der Politik suchen. ,,Unsere Wissenschaft hat schon Einfluss'', sagt der Professor aus Heidelberg: ,,Es ist nicht hoffnungslos.''

© SZ vom 27.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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