Der Marktforscher der Nation:"Ein absoluter Durchschnittstyp"

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Rolf Bürkl ermittelt jeden Monat für die GfK die Kauflaune der Deutschen - am Dienstag legt er wieder den Konsumklimaindex vor.

Uwe Ritzer

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Rolf Bürkl noch in diesem Jahr zum Friseur geht. Zum einen erfordert das Weihnachtsfest ein besonders adrettes Erscheinungsbild.

Zum anderen wirkt bei ihm ein Schock aus dem Jahr 2002 nach, als er in den ersten Januartagen an die Kasse seines Figaros trat. "Der hatte über den Jahreswechsel auf seine alten Preise 30 Prozent draufgeschlagen", sagt Bürkl.

Die subjektive Inflationsratediv

Diesmal geht es um die Mehrwertsteuererhöhung, damals wurde von D-Mark auf Euro umgestellt, und Konsumforscher Bürkl bezahlte teuer für die Erfahrung, dass es neben der nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelten Inflation auch eine gefühlte gibt und für die Erfahrung, dass "letztlich jeder Haushalt seine eigene Inflationsrate hat."

Subjektive Erfahrungen und Eindrücke zu verknüpfen, richtig zu interpretieren und so objektive Aussagen über das Konsumverhalten der Deutschen zu treffen ist Rolf Bürkls Aufgabe.

Seit drei Jahren verantwortet er als Projektleiter beim Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK dessen monatlichen Konsumklimaindex. Der wird zwar seit 1980 erhoben, blieb aber neben Erhebungen zu Geschäftsklima, Investitionsneigung oder Exportentwicklung wenig beachtet. Denn der Konsum galt auch in wirtschaftlich schwachen Phasen als stabil.

Euro brachte Sparwelle

Bis 2002 die Euro-Einführung bei vielen Verbrauchern das Gefühl der Verteuerung auf breiter Front auslöste, die Börsenblase platzte und mit den steigenden Arbeitslosenzahlen auch bei Menschen mit Beschäftigung die Angst vor Arbeitsplatzverlust wuchs.

Die Sparwelle wirkte sich gravierend auf die Konjunktur aus, denn der private Konsum macht in Deutschland 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. "Allein deswegen sprechen die Verbraucher ein gewichtiges Wort mit, wenn es um Aufschwung oder Rezession geht", sagt Bürkl.

Seit Konsum keine Selbstverständlichkeit mehr ist, ist das Interesse an den monatlichen Nachrichten aus Nürnberg deutlich größer. Mittlerweile umfassen die Medienberichte dicke Ringbücher, die in der Empfangshalle der GfK-Zentrale ausliegen.

Von dort führt ein umständlicher Weg über verschlungene Gänge in Rolf Bürkls winziges Büro mit der Nummer 2527 im fünften Stock. Den schmucklosen Raum teilt sich Deutschlands führender Konsumforscher sogar mit einem Kollegen.

Vermutlich würde es dem 45-Jährigen nie einfallen, sich darüber laut zu beklagen. Rolf Bürkl sagt von sich, er sei "ein absoluter Durchschnittstyp mit Bodenhaftung."

So verliere er auch nicht den Kontakt zu den normalen Leuten, deren Konsumneigung er erfassen und verstehen will. Der studierte Volkswirt und Statistiker ist seit 14 Jahren bei der GfK. Er wohnt im Nürnberger Umland, ist verheiratet, hat zwei Kinder, fährt Ski und Fahrrad, spielt Fußball und joggt. Nach dem Studium war er drei Jahre Entwicklungshelfer, "weil ich ein bisschen Abenteuer haben wollte."

Interpretation ohne Politik kaum möglich

Nun schickt er jeden Monat 800 GfK-Interviewer in 2000 repräsentativ ausgewählte Haushalte. Aus deren Antworten muss Bürkl die richtigen Schlüsse ziehen.

"Es ist faszinierend, wie psychologische und subjektive Faktoren das wirtschaftliche Verhalten beeinflussen", sagt er. Bei der Interpretation sei "klar, dass ich mich bei aller Objektivität nicht restlos aus der Politik raushalten kann." So kündete das Konsumverhalten gleich nach dem Amtsantritt der großen Koalition von Aufbruchstimmung, die dann aber schnell der Ernüchterung wich und inzwischen Enttäuschung Platz machte.

Dass Rolf Bürkl vermutlich auch bei der Veröffentlichung des neuesten Index an diesem Dienstag von großer Konsumlaune der Deutschen berichten wird, hat auch mit der anhaltend guten wirtschaftlichen Gesamtstimmung zu tun, noch mehr aber mit Vorzieheffekten wegen der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung.

Die Mehrwertsteuerdelle

Für die ersten Monate 2007 erwartet Bürkl keine neue Konsumflaute, aber eine Delle. Er mag sich aber noch nicht festlegen, wie tief sie ausfallen und wie lange sie anhalten wird. "Es fehlen die Erfahrungswerte, denn noch nie wurde die Mehrwertsteuer gleich um drei Prozentpunkte angehoben."

Grundsätzlich ist Bürkl aber zuversichtlich: Die Preise für viele Waren und Dienstleistungen seien bereits angehoben worden, in manchen Branchen würden nur Rabattschlachten etwas gebremst, die Gesamtkonjunktur scheine robust, und vieles müsse sich der Verbraucher auch dann leisten, wenn es mehr kostet.

Friseurbesuche zum Beispiel.

© SZ vom 28.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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