Der KPMG-Prüfbericht von Siemens:"Streng vertraulich"

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Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG weist den Verdacht der gezielten Vertuschung bei Siemens weit von sich - und informierte schon 2003 über Unregelmäßigkeiten.

Hans Leyendecker

Die Welt der Wirtschaftsprüfer hat ihre eigenen Normen und Richtlinien, und Außenstehende brauchen eine Weile, um das Regelwerk zu verstehen.

Das Logo der KPMG vor der Niederlassung in Frankfurt. (Foto: Foto: AP)

So waren die Münchner Ermittler im Siemens-Fall einigermaßen verblüfft, als sie feststellten, dass KPMG-Mitarbeiter, die Siemens-Com prüften, andere KMPG-Mitarbeiter, die in der federführenden Einheit sitzen, am 9.November 2006 in schönstem Fachenglisch über dubiose Transfers bei Siemens unterrichtet haben: "Strictly Confidential" - "Streng vertraulich".

Die mit Siemens beschäftigten KPMG-Prüfer, die Pastor oder Braun heißen und in München arbeiten, korrespondierten miteinander in Englisch, weil Siemens ein US-börsennotiertes Unternehmen ist und sich am Ende womöglich die US-Börsenaufsicht SEC den Vorgang genau anschauen könnte.

Große prüfen Große

Wirtschaftsprüfung ist ein internationales Geschäft geworden, bei dem weltweit die großen Gruppen Pricewaterhouse Coopers (PwC), Deloitte&Touche, Ernst&Young und KPMG den Kurs vorgeben.

In Deutschland beherrschen KPMG und PwC als Prüfer der großen Konzerne den Markt. Das alte Handelsgesetzbuch hat weitgehend ausgedient, und die Unternehmen schlagen sich mit internationalen Standards herum, die abgekürzt GAAP oder IFRS heißen und recht kompliziert sind.

Auch sind die Vorschriften für die Rechnungslegung komplizierter geworden. So ist es in Deutschland nicht mehr erlaubt, Jahresabschlüsse zu prüfen und beim selben Mandanten auch Consulting zu betreiben.

Die Unternehmen expandieren: Der Umsatz von KPMG-Deutschland liegt bei über einer Milliarde Euro, das Unternehmen hat mehr als 7000 Beschäftigte, und sein Vorstandssprecher Rolf Nonnenmacher erklärte jüngst, KPMG-Deutschland werde sich mit KPMG-Großbritannien zu einer europäischen Prüfungsgesellschaft mit Hauptsitz in Frankfurt zusammenschließen.

Wurden Bedenken übergangen?

Aber hat die KPMG, die Siemens seit Jahrzehnten als großen Kunden betreut und den Konzern jedes Jahr weltweit mit mehr als 1000 KPMG-Mitarbeitern prüft, weggeschaut, als sich in München Abgründe auftaten? Wurden Anmerkungen junger Mitarbeiter ignoriert?

In Vernehmungen von Beschuldigten gibt es solche Hinweise. KPMG, das wegen der Verschwiegenheitspflicht nicht einmal die Existenz des Berichts vom 9.November bestätigen mag, bestreitet solche Verdächte energisch.

"Wir sind unseren Berichtspflichten jederzeit nachgekommen", sagt KPMG-Vorstand Wienand Schruff. "Einzelne Buchungsvorgänge sind nach den einschlägigen Berufsvorschriften nur in Stichproben" zu prüfen. Bei Siemens gebe es jeden Tag etwa neun Millionen Buchungsvorgänge.

Und wenn die Prüfer auf Verdächtiges stoßen? Aus Akten der Münchner Ermittler ergibt sich beispielsweise, dass schon 2003 einer KPMG-Mitarbeiterin merkwürdige Beraterverträge und zweifelhafte Provisionszahlungen aufgefallen waren.

Siemens wurde schon 2003 informiert

Ein KPMG-Vorstandsmitglied besprach daraufhin mit dem damaligen Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger das Problem. Der schaltete die zuständige Compliance-Abteilung ein, denn auch ein Finanzvorstand kennt nicht alle Details - am Ende wurde der Fall irgendwie zugedeckt. KPMG könnte sich darauf berufen, dass auch der damalige Leiter des Prüfungsausschusses im Siemens-Aufsichtsrat informiert wurde.

Es ist Sache des Unternehmens, den Staatsanwalt einzuschalten oder nicht. Bei Siemens war das Prinzip: eher nicht.

Wirtschaftsprüfern ist es untersagt, selbst den Strafverfolger zu bemühen. Diesmal ist der Gang zum Staatsanwalt nicht nötig. Der war, als das Papier Siemens erreichte, schon im Haus. Die Fahnder suchen nun nach Antworten auf die vielen Fragen, die der "Strictly Confidential" eingestufte Bericht aufwirft.

© SZ vom 21.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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