Der Abzug des US-Unternehmens:Flirten wieder erlaubt

Lesezeit: 2 min

Das großsprecherisch angekündigte Abenteuer Deutschland ist gescheitert - weil Wal-Mart gegen die Konkurrenten Aldi, Lidl & Co. nicht bestehen konnte.

Marc Beise

Gute Nachricht für die Mitarbeiter in 85 deutschen Großmärkten: Nun kann es dort wieder lockerer zugehen, und auch ein bisschen Flirten ist erlaubt.

Wal Mart macht Schluss - in Deutschland wird es keine Filialen des US-Riesen mehr geben. (Foto: Foto: AP)

Denn der US-Handelskonzern Wal-Mart verkauft die deutschen Filialen an den Düsseldorfer Konkurrenten Metro und verlässt das Land.

Das ist eine der größten Niederlagen für die erfolgsverwöhnten Amerikaner.

Das großsprecherisch angekündigte Abenteuer Deutschland ist gescheitert - weil Wal-Mart gegen die Billig-Konkurrenten Aldi, Lidl & Co. nicht bestehen konnte.

Mit dem Erwerb der traditionsreichen Supermarktkette Wertkauf hatte der US-Konzern Wal-Mart seine Deutschland-Offensive im Winter 1997 begonnen; später kam Interspar hinzu. In Europa rechnete sich das Familienunternehmen, das der mittlerweile verstorbene Sam Walton 1962 in Arkansas gegründet und zur weltweiten Nummer eins gemacht hatte, Expansionschancen aus.

Eine aggressive Preispolitik, gut ausgestattete Läden und eine freundliche und sachkundige Bedienung - darauf hätten, so das Kalkül, die Europäer schon lange gewartet. Wal-Mart wollte den alten Kontinent erobern, und Deutschland sollte dabei die erste Station sein.

"Deutschland ist ein fast altmodischer Markt"

Der hiesige Lebensmitteleinzelhandel galt den Amerikanern als hinterwäldlerisch. So gebe es, notierten die US-Manager damals, fast kein Supermarktunternehmen, das über gut eingeführte eigene Markenartikel verfüge. "Deutschland ist ein unterentwickelter, fast altmodischer Markt", sekundierte ein Branchenspezialist der US-Investmentbank Goldman Sachs.

Altmodisch kam den Deutschen allerdings bald der Wal-Mart-Stil vor. Aufsehen erregte es, als die Amerikaner mit einer Richtlinie das Liebesleben ihrer Mitarbeiter steuern wollten. Darin wurde den 125.000 Mitarbeitern in Deutschland unter anderem untersagt, mit Kollegen zum Abendessen auszugehen oder gar eine Beziehung zu beginnen, wenn einer der Beteiligten den Arbeitsplatz des anderen "beeinflussen" könnte.

Am Arbeitsplatz selbst waren "lüsterne Blicke, zweideutige Witze und sexuell deutbare Kommunikation jeder Art" untersagt. Zwar kassierte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf diese Richtlinie als Verstoß gegen die Menschenwürde, doch ruhte der gütig-strenge Blick der Vorgesetzten weiter auf dem Personal.

Erivan Haub wusste es schon vorher

Auch mit den Gewerkschaften hatten die Amerikaner ihre liebe Not: In den USA, wo Mitarbeitern die Mittagspause verweigert wurde, aber auch in Deutschland, wo die Betriebsräte nach eigener Aussage "alle Hände voll zu tun" hatten, ihre Kollegen zu schützen.

Die Kunden dagegen freuten sich über attraktive Preise und lobten die ausgesprochene Freundlichkeit des Personals, das dank intensiver Schulung "motiviert bis in die Haarspitzen" (Walton) auf die Kunden losgelassen wurde. Es wird interessant sein zu beobachten, wie viel von diesem Engagement sich unter wieder deutscher Führung erhalten wird.

Bestätigt fühlen kann sich ein älterer Herr namens Erivan Haub. Dessen Tengelmann-Gruppe hatte sich 1997 auch um Wertkauf beworben, war aber von den Amerikanern ausgestochen worden. Wal-Mart werde, so Haub damals, in Deutschland noch sein blaues Wunder erleben. Es hat zwar fast neun Jahre gedauert, es ist aber genau so gekommen.

© SZ vom 29.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: