Dax-Turbulenzen:Wirecard sieht sich als Opfer

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Wirecard-Chef Markus Braun steht auch persönlich in der Kritik: Schon vor einem Monat forderte die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka seinen Rücktritt. Die Durchsuchung dürfte seine Lage nun nicht besser machen. (Foto: Matthias Doering/Bloomberg)

Ein Manager des Unternehmens in Singapur soll betrogen und Geld gewaschen haben. Die Aktie stürzte ab. Nun weist Wirecard den Verdacht zurück: Ein Kollege habe den Manager falsch angeschwärzt.

Von Harald Freiberger, München

Noch nie steckte ein Dax-Unternehmen in solchen Börsenturbulenzen. Der Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters Wirecard aus Aschheim bei München brach in der vergangenen Woche einmal um 20 Prozent und einmal um 30 Prozent ein. Grund waren zwei Berichte der Financial Times über angeblichen Betrug und Geldwäsche eines Wirecard-Topmanagers in Singapur.

Am Montag holte Wirecard zum Gegenschlag aus. "Wir widersprechen der Berichterstattung ausdrücklich", hieß es in einer Mitteilung. Vorstandschef Markus Braun erläuterte in einer Telefonkonferenz mit Analysten, eine interne und eine unabhängige Untersuchung hätten "keine schlüssigen Erkenntnisse" für ein strafbares Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern ergeben. Die Prüfung stehe kurz vor dem Abschluss, er erwarte, dass nichts Belastbares dabei herauskomme. "Wir können Ihnen das voll zusichern", sagte Braun in der Telefonkonferenz.

Negative Auswirkungen auf das operative Geschäft erwartet Braun nicht. "Ich glaube, wir können bald wieder normal an die Arbeit gehen", sagte er. Der Aktienkurs von Wirecard zog am Montag um 20 Prozent auf 132 Euro an. Er steht aber immer noch 20 Prozent unter dem Kurs vom vergangenen Mittwoch, bevor die Vorwürfe aufkamen.

Wirecard-Chef Braun berichtete, dass sich im April 2018 ein Mitarbeiter in Singapur bei der Compliance des Unternehmens vor Ort meldete; diese kontrolliert, ob mit den Abläufen im Unternehmen rechtlich alles in Ordnung ist. Der Mitarbeiter zeigte der Compliance mögliche Rechtsverstöße eines Kollegen aus der Rechnungslegung an, die dieser in den Jahren 2015 bis 2018 begangen haben soll.

"Es hat mehr mit der Beziehung zwischen Menschen zu tun als mit den Prozessen im Unternehmen."

Die Compliance-Abteilung habe diese Vorwürfe überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie unbegründet sind. Außerdem sei die unabhängige Anwaltskanzlei Rajah & Tann mit der Prüfung beauftragt worden. "Es gab Hinweise darauf, dass die Vorwürfe auch mit persönlichen Feindseligkeiten zwischen den beteiligten Mitarbeitern zusammenhängen könnten", teilte Wirecard mit. Braun sagte in der Telefonkonferenz: "Es hat mehr mit der Beziehung zwischen Menschen zu tun als mit den Prozessen im Unternehmen." Solche Dinge passierten, "zwischen Menschen gibt es manchmal eben Emotionen".

Auf die Frage, ob der Mitarbeiter, der den anderen angeschwärzt habe, noch bei Wirecard arbeite, sagte Braun: "Wer sich bei unserer Compliance-Abteilung meldet, dem wird absolute Anonymität zugesichert." Nur die Abteilung kenne den Namen, er selbst wisse gar nicht, wer es war. Deshalb könne er die Frage nicht beantworten.

In dem ersten Bericht der Financial Times am vergangenen Mittwoch hatte es geheißen, ein Topmanager von Wirecard in Singapur habe mit gefälschten und zurückdatierten Verträgen unzulässige Transaktionen durchgeführt. Die Zeitung berief sich dabei auf eine interne Präsentation vom 7. Mai 2018 mit dem Namen "Projekt Tiger". In ihr sei unter anderem von "Geldwäsche" und "Kontenfälschung" die Rede. Die Präsentation sei erstellt worden, um sie einen Tag später, am 8. Mai, "den vier höchstrangigen Managern" des Unternehmens vorzustellen, unter ihnen auch Vorstandschef Markus Braun.

Im zweiten Bericht der Financial Times vom Freitag stand, die von Wirecard beauftragte Anwaltsfirma Rajah & Tann habe Beweise gefunden, die auf "schwerwiegende Fälschungsdelikte und/oder Kontenfälschung" hindeuteten. Dies wies Wirecard-Chef Braun nun entschieden zurück, das werde der Abschlussbericht zeigen, den er "in sehr naher Zukunft" erwartet. Er schloss rechtliche Schritte gegen die Zeitung und den Autor des Textes nicht aus.

Braun kann sich nicht erklären, weshalb sein Unternehmen immer wieder Attacken von Investoren ausgesetzt ist. Ihm falle aber auf, dass dabei immer wieder dieselben Namen auftauchten. "Meine Aufgabe ist es, das Geschäftsmodell zu entwickeln und Innovationen auf den Weg zu bringen", sagte er. Er könne sich nicht ständig um die Vorgänge auf den Kapitalmärkten kümmern. Offenbar habe es vor sechs Wochen einen Hinweis an Akteure auf dem Markt gegeben, dass bald brisante Informationen über Wirecard folgten. Daraufhin hätten sich diese positioniert, das Ergebnis sei die starke Reaktion des Aktienkurses gewesen, als der Bericht in der vergangenen Woche herauskam.

Börsendaten zeigen, dass in den vergangenen Wochen sogenannte Leerverkäufe auf die Wirecard-Aktie stark zugenommen haben; mit ihnen können Investoren darauf wetten, dass die Aktie fällt. Braun sah sich gezwungen, den Compliance-Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Normalerweise bleibe so etwas intern, wegen der starken Reaktion auf dem Kapitalmarkt habe man sich aber zu Transparenz entschlossen. "Die Nerven von Wirecard-Aktionären werden gerade arg strapaziert", sagte Mirko Maier, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. Man müsse bedenken, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens sehr komplex sei. Wirecard habe zuletzt gerade etwas an Vertrauen gewonnen, "jetzt wird es sicher wieder eine Zeitlang dauern, bis Gras über die jüngste Episode wächst".

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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