Das Plus in der Staatskasse (III):Aufs Erfreulichste verrechnet

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Die Bundesagentur für Arbeit erwartet einen Rekordüberschuss.

Detlef Esslinger

Dienstleister wollen sie seit einiger Zeit sein, und der Finanzvorstand achtet sehr darauf, dass dies auch in seiner Sprache zum Ausdruck kommt. "Wir wollen der Politik die Möglichkeit eröffnen, frühzeitig die Diskussion über die Verwendung unserer Überschüsse zu führen", sagt also Raimund Becker, nachdem er seine Zahlen verkündet hat. Es ist ein Termin mit Seltenheitswert, den er hier zu bestreiten hat.

Becker, der Finanzvorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg, präsentiert Zahlen, die offenbaren, dass er sich aufs Erfreulichste verrechnet hat. In den vergangenen Jahren hatte man sich daran gewöhnt, dass Ministerien, Behörden oder Sozialversicherungen ihre Einnahmen jeweils nach unten und ihre Ausgaben nach oben korrigierten.

Alles anders

Diesmal aber war es bei der BA zu Jahresbeginn so, dass sie bereits damals mit einem Überschuss von 1,8 Milliarden Euro kalkulierte; es war das erste Mal seit 1985, dass sie überhaupt einen Überschuss erwartete. Dass aber auch diese Rechnung zu pessimistisch war, zeichnete sich schon im Frühjahr ab. 4,5 Milliarden Euro lautete im Mai die Prognose. Und jetzt? Jetzt nimmt ihr Finanzvorstand an, zum Jahresende auf ein Plus von 8,8 bis 9,6 Milliarden Euro zu kommen.

Wie kann dies sein? Becker nennt mehrere Gründe. Dass die BA bereits zu Jahresbeginn mit einem Überschuss rechnete, hatte mit einem Sondereffekt zu tun: Durch eine Umstellung bei den Zahlungsterminen kassiert sie in diesem Jahr ausnahmsweise nicht zwölf-, sondern 13-mal Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Dadurch nimmt sie drei Milliarden Euro mehr ein als sonst. Weil darüber hinaus die Konjunktur besser geworden ist, kommt sie bei den Beitragseinnahmen auf eine Milliarde Euro Mehreinnahmen, muss weniger Arbeitslosengeld zahlen und auch einen geringeren Ausgleichsbetrag an den Bund entrichten für Arbeitslose, die ins steuerfinanzierte Arbeitslosengeld-II-System fallen - die Menschen finden jetzt wieder schneller einen Job als früher.

Dieser Betrag fällt um 1,7 Milliarden Euro niedriger aus als gedacht. Schließlich wird die BA durch Sparen selbst noch einmal 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro erwirtschaften.

Bund entscheidet über den Geldsegen

Natürlich wird ein Finanzvorstand, der solche Zahlen vorlegt, gefragt, was er mit dem plötzlichen Segen machen will. Doch mag sich die BA auch seit einiger Zeit als Dienstleister verstehen - nach den Gesetzen eines privaten Unternehmens funktioniert sie deshalb noch lange nicht.

Über die Verwendung der Überschüsse wird nicht auf der Nürnberger Vorstandsetage, sondern bei der Bundesregierung in Berlin entschieden.

Raimund Becker weist deshalb gleich zu Beginn des Termins darauf hin, es werde keinen Sinn haben zu fragen, wie er die Mittel verwenden würde: zur weiteren Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oder zur Sanierung des Bundesetats. "Sie können mich quälen, wie Sie wollen, da wird mir nichts zu entlocken sein."

Und dann plaudert er es doch aus. Nicht ausdrücklich, aber doch so, dass jeder, der will, ihn verstehen kann. Becker zählt die Sondereffekte auf, die neben den 13 Monatsbeiträgen in diesem Jahr wirksam werden: die Fußball-WM, die Mehrwertsteuer-Erhöhung 2007, die Konsumenten dazu veranlasst, Ausgaben vorzuziehen.

Er erwähnt die Prognosen, die für 2007 ein Wachstum von nur einem Prozent vorhersagen - was eher zu einem Anstieg als zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit führen wird. Mit anderen Worten: Von einer weiteren Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, einer Maßnahme, die ja auf Dauer angelegt wäre, hält die Bundesagentur nichts.

© SZ vom 25.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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