Das Plus in der Staatskasse (II):In den Grenzen von Maastricht

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Der Finanzminister profitiert von den hohen Steuereinnahmen

Ulrich Schäfer

Als Peer Steinbrück im Herbst vorigen Jahres in Berlin auftauchte, konnten die Löcher im Bundeshaushalt gar nicht groß genug sein: Eine Lücke von 35 Milliarden Euro klaffe in dem Zahlenwerk, hieß es zu Beginn der Koalitionsverhandlungen.

Später fehlten 50 Milliarden Euro, dann sogar 60 Milliarden Euro, und der CDU-Mann Roland Koch, Steinbrücks Kompagnon in der Arbeitsgruppe Finanzen, machte schließlich ein Loch von 70 Milliarden Euro aus, welches die Union und SPD zu schließen hätten. Es werde "Heulen und Zähneklappern" geben, kündigte Koch an. Die Sanierung der Staatsfinanzen werde zur "Schicksalsfrage", urteilte auch seine Parteichefin Angela Merkel.

28 statt 40 Milliarden Minus

Neun Monate später sieht es so aus, als ob es das Schicksal gut meint mit Merkels großer Koalition. Das Statistische Bundesamt meldete am Donnerstag, dass das staatliche Defizit erstmals seit fünf Jahren wieder unter die Grenze des EU-Stabilitätspakts gefallen ist: Es lag in der ersten Jahreshälfte bei 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit deutlich unter dem Richtwert von drei Prozent.

Und es lag vor allem deutlich unter dem Wert des Vorjahres: In den ersten sechs Monaten des Jahres 2005 verbuchten Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen zusammen noch ein Minus über 40 Milliarden Euro, also von umgerechnet 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Von Januar bis Juni dieses Jahres betrug die Lücke hingegen nur gut 28 Milliarden Euro. Denn die Steuereinnahmen sprudelten kräftig, und auch das kräftige Plus der Bundesagentur für Arbeit machte sich bemerkbar: Allein hierdurch reduziert sich das staatliche Defizit um einen halben Prozentpunkt.

Steinbrück sprach am Donnerstag von einer "erfreulichen Entwicklung", warnte aber ebenso wie das Statistische Bundesamt davor, die Zahlen aufs gesamte Jahr hochzurechnen. So wirke der hohe Gewinn der Bundesbank nur einmal, nämlich im ersten Halbjahr. Im zweiten Halbjahr dagegen seien die Personalausgaben höher, etwa aufgrund des Weihnachtsgeldes.

Der Finanzminister kalkuliert für das Gesamtjahr bislang mit einem Defizit von 3,1 Prozent. Diesen Wert hat Steinbrück auch an die EU-Kommission in Brüssel gemeldet, die darüber wacht, ob die Euro-Staaten den Stabilitätspakt einhalten werden.

Der SPD-Politiker geht inzwischen allerdings davon aus, dass die Schuldenaufnahme am Jahresende unterhalb dieses Wertes und auch unterhalb der Maastricht-Grenze liegen wird. Dies sei "wahrscheinlich", sagte er in Berlin. Sollte es so kommen, wird die EU-Kommission bereits zu Beginn des nächsten Jahres ihr Strafverfahren gegen Deutschland endgültig einstellen.

© SZ vom 25.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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