Daimler kooperiert mit Uber:Halb Freund, halb Feind

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Daimler, wohin man schaut: Auch im Hongkong der Fünfzigerjahre kamen die Taxis aus Stuttgart. (Foto: Heinz Hering/Süddeutsche Zeitung Photo)

Der Stuttgarter Autohersteller Daimler hat traditionell die Taxi-Branche mit Fahrzeugen versorgt. Nun will er mit dem Fahrdienst-Vermittler Uber kooperieren - beim autonomen Fahren.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Die zwei "Frenemies" proben die Umarmung. Und keiner weiß, wie das Experiment ausgehen wird. "Frenemy" ist ein englisches Kunstwort, es bezeichnet eine Mischung aus friend und enemy - halb Freund, halb Feind. Bislang kämpften der deutsche Autohersteller Daimler und der US-amerikanische Fahrdienstvermittler Uber eher gegeneinander um Marktanteile in der Mobilität der Zukunft. Daimler war jahrzehntelang Lieferant der Taxi-Branche. Und jetzt wollen die beiden Unternehmen zusammenarbeiten: Daimler kündigt an, "in den kommenden Jahren" autonom fahrende Mercedes-Pkw auf der Uber-Plattform anzubieten. Aus Feinden werden Freunde, zumindest bis auf weiteres.

"Als Erfinder des Automobils wollen wir auch beim autonomen Fahren ganz vorne dabei sein - einem der faszinierendsten Aspekte bei der Neuerfindung der Mobilität", verkündete Daimler-Chef Dieter Zetsche nun. Uber biete eine "ideale Plattform" für Technologien des autonomes Fahrens, "und wir sind fest entschlossen, die treibende Kraft dieses Wandels zu sein". Autoexperte Stefan Bratzel von der Wirtschafts-Fachhochschule Bergisch Gladbach sieht die Kooperation etwas skeptischer. Der Automotive-Professor spricht zwar von einer "Win-Win-Situation", die aber auch "große Gefahren" für Daimler berge. Zunächst könne Daimler zwar viel von Uber über das Betreiben einer Fahrdienst-Plattform lernen. Aber am Ende sei Uber ein "Konkurrent im Kampf um die Kundenkontakte". Und wer mit den Kunden abrechnet, der mache das Geschäft.

Uber gilt als Marktführer in der Branche der Fahrdienst-Plattformen, auf denen man sich per Smartphone-App ein Auto samt Fahrer mieten kann. Das Unternehmen mit Sitz in San Francisco ist allerdings auch umstritten, da es den etablierten Taxi-Unternehmen Konkurrenz macht, ohne sich um Vorschriften wie Personenbeförderungs-Lizenzen zu kümmern. In einigen Ländern ist Uber verboten worden.

Die Amerikaner arbeiten bereits mit den Herstellern Volvo und Ford zusammen. Aber Daimler, der Premiumhersteller aus Deutschland: Das ist der Ritterschlag. In Pittsburgh (USA) testet Uber bereits Robotertaxis mit Passagieren an Bord. Uber stattet die Autos dabei mit seiner selbst entwickelten Software aus, allerdings sitzt immer noch ein Fahrer an Bord.

Daimler seinerseits verkauft bereits Pkw mit Assistenz-Systemen, mit denen die Fahrer ihren Wagen per Smartphone-Fernsteuerung in enge Parklücken einparken können. Zudem treibt der Konzern die Entwicklung seiner neuen Elektroauto-Marke EQ voran. Bis 2025 will Daimler mehr als zehn Modelle mit Batteriebetrieb auf den Markt bringen. Produziert werden diese in den bestehenden Werken Sindelfingen, Bremen, Rastatt und Hambach (Frankreich) - neben den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

Neue Anbieter aus den USA wollen das eigene Auto überflüssig machen

Die Partnerschaft mit Uber ist für Daimler wie für alle Autohersteller eine Gratwanderung. Denn die Entwicklung bei den "Frenemies" läuft ihrem bisherigen Geschäftsmodell entgegen. Das bestand schlicht aus: Autos verkaufen und zwar möglichst viele. Natürlich sind in den vergangenen Jahren bereits viele Exemplare der E-Klasse an Taxi-Unternehmen gegangen. Aber Taxifahren, das war und ist bislang nur eine Ergänzung im Angebot der Verkehrsmittel. Die meisten, die sich in einer beigen E-Klasse chauffieren lassen, haben ein eigenes Auto daheim stehen. Die neuen Mobilitätsanbieter wie Uber oder Lyft wollen aber auch das eigene Auto entbehrlich machen. Ihre Idee: Wenn keine menschlichen Fahrer mehr nötig sind, dann wird das tägliche Uber-Fahren für alle bezahlbar, und das dürfte der Service dem US-Unternehmen ordentlich Gewinn bescheren. Auch Stefan Bratzel sieht in Robotertaxis das "Geschäftsmodell der Zukunft". Am Ende könnten Passagiere sogar Fahr- und Zahlgemeinschaften bilden. Bratzel: "Die Plattform weiß ja, wer von wo nach wo will." In vielen Städten könnte das die Verkehrsprobleme lösen.

Auf der anderen Seite ist diese Partnerschaft von zwei milliardenschweren Unternehmen eine gewaltige Kampfansage an eine Gruppe, die überhaupt keine Lobby hat: Die Uber-Fahrer. Viel wird gesprochen darüber, dass Uber sie schlecht bezahle, ja ausbeute. Manche kleben tatsächlich entsprechende Bettelbriefe an die Rücklehnen, auf dass ihre Fahrgäste ein Trinkgeld geben. Aber wer in den USA mit Uber fährt und die Leute auf ihre Arbeitsbedingungen anspricht, der bekommt auch zu hören: Ich mache das freiwillig, und es gibt mir zumindest ein bisschen Geld. Es ist ein Hinzuverdienst von Leuten, die eher in prekären Verhältnissen leben und ihr Auto finanzieren wollen - bislang übrigens oft einen Toyota Corolla. Ihre Jobmöglichkeit wird irgendwann wegfallen und die deutsch-amerikanische Partnerschaft jetzt macht klar: Das Irgendwann rückt näher. Ein paar Jahre nur noch.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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