Sportartikelbranche:Wenn China plötzlich Hoffnung macht

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Gerade in Corona-Zeiten wollen viele Menschen Sport treiben. Doch der Einzelhandel profitiert bislang kaum von dieser Bewegungsfreude. (Foto: AFP)

Runners Point schließt, Karstadt Sport kämpft ums Überleben. Andererseits boomen Decathlon und der Online-Handel. Was Corona für das Geschäft mit Sportartikeln bedeutet.

Von Uwe Ritzer, München

Doch, doch, es gibt sie schon auch, die Hinweise darauf, dass Corona die Sportartikelwirtschaft nicht in Grund und Boden stürzen wird. Da ist zum Beispiel der Umstand, dass Laufschuhe und Fahrräder, aber auch Yoga-Matten, Hanteln und Gewichte samt jeweils passender Trainingsbekleidung in den Lockdown-Zeiten stark nachgefragt wurden - und nach wie vor werden. Ganz einfach, weil viele Menschen nicht nur zu Hause sitzen, sondern aktiv Sport treiben wollen, alleine oder neuerdings auch wieder in kleinen Gruppen.

Erleichtert nahm die Sportbranche auch zur Kenntnis, dass die beiden größten deutschen Hersteller Adidas und Puma deutlich anziehende Geschäfte in China melden, dem zweitwichtigsten Markt der Branche. Zum einen ist das ein Hinweis darauf, dass dort, wo die Geschäfte wieder öffnen dürfen, auch eine Nachfrage nach Sportartikeln da ist. Zum anderen deutet das Beispiel China darauf hin, dass die mit staatlichen Hilfskrediten unterstützten Firmen Adidas und Puma in absehbarer Zeit wieder in die Erfolgsspur zurückfinden werden. "Das positive Momentum, das wir in China erzielt haben, dient uns als gelungenes Beispiel für die weiteren Märkte in Asien-Pazifik und der Welt", sagt Colin Currie, Asien-Pazifik-Chef bei Adidas.

Und dann ist da noch die größte Handelskette Decathlon, deren Expansion durch das Virus kaum gebremst zu sein scheint. Der preisaggressive Sport-Discounter eröffnet hierzulande munter ein Geschäft nach dem anderen; Ende Juni sperrt in Fulda die 82. Filiale auf.

Doch trotz all dieser Anzeichen auf baldige Belebung steht die Sportartikelbranche vor allem in Deutschland am Beginn eines gewaltigen Umbruchs. Auch das offenbart die Corona-Krise.

Noch nie gab es mehr Schnäppchen wie jetzt

Mitte Mai wurde bekannt, dass die Laufschuhkette Runners Point ihre 73 deutschen Filialen schließt. 720 Mitarbeiter sind davon betroffen. Karstadt Sports steckt in einem Schutzschirmverfahren und kämpft ums Überleben; schlimmstenfalls könnten alle 30 Geschäfte vom Markt verschwinden. Dann ist da der Zustand des größten Sportartikel-Einkaufsverbunds Intersport, der vielen seiner Mitglieder zunehmend Sorgen bereitet. Nicht nur, weil die Geschäfte der Genossenschaft schlecht laufen und durch Management-Abenteuer viel Geld der Mitglieder versenkt wurde. Sondern vor allem, weil Intersport auch in der Krise hauptsächlich mit sich selbst, Problemen und Unstimmigkeiten in den eigenen Reihen befasst - und teilweise überfordert zu sein scheint.

Dabei standen doch für 2020 alle Zeichen auf Erfolg. Mit der über den ganzen Kontinent verstreuten Fußball-EM und den Olympischen Spielen in Tokio hintendrein hatte 2020 das Zeug zu einem großen Sportjahr. Turniere und Wettkämpfe mit globaler Aufmerksamkeit sind die idealen Plattformen für die Hersteller, um mit Hilfe von Sportstars als Testimonials ihre neuen Kollektionen zu zeigen. Das befeuert naturgemäß die Geschäfte im Handel, weil die Zuschauer zum Kauf neuer Schuhe und Shirts animiert werden. So war es immer, vor Corona jedenfalls.

Nun aber sind die Lager der Hersteller voll mit Ware im Milliardenwert. "Alles muss raus" lautet aktuell die Devise, also werden Schuhe und Shirts über die Outlets der Hersteller oder Rabattaktionen mit Handelspartnern teilweise verscherbelt. Noch nie gab es mehr Sportartikel-Schnäppchen wie zurzeit. So bilden sich etwa vor den Outlets von Adidas und Puma an deren Zentralen im fränkischen Herzogenaurach regelmäßig lange Warteschlangen. "Die Leute kommen in den Laden nicht zum Schauen, sondern mit klarer Kaufabsicht", sagt ein Adidas-Sprecher.

"Wir haben Warenlieferungen auf Wunsch kostenfrei gestoppt, storniert, verschoben..."

Je größer freilich die Rabatte, desto geringer die Gewinnmargen. Hinzu kommt, dass längst nicht alle, und am wenigsten stationäre Händler ohne Alleinstellungsmerkmal und ohne eigenen Online-Shop von der (wenn auch reduzierten) Nachfrage auch während der Corona-Zeit profitierten. Wer etwa auf Mannschaftssport setzt, hat angesichts von ab- oder unterbrochenen Spielzeiten in Fußball, Hand- oder Basketball, kaum Perspektiven. Eine Umfrage des deutschen Sporthandelsverbands VDS ergab, dass jeder Dritte der insgesamt 5000 Sportartikelhändler aktuell um seine Existenz bangt.

Zumal die Pandemie den E-Commerce mit Sportartikeln beflügelt. Wer eben beim Händler um die Ecke keine Laufschuhe kaufen konnte, bestellte sie in den Online-Shops der Hersteller, oder aber bei einschlägigen Versendern wie Zalando, Footlocker oder auch Amazon. "Corona hat unsere Kunden zu einem Großteil ins Netz getrieben, und ich fürchte, da werden sie auch bleiben. Es wird schwer, sie zurückzuholen", sagt ein Sportfachhändler, der nicht namentlich zitiert werden will.

Die Hersteller versichern reihum, den stationären Handel zu unterstützen. "Wir haben Warenlieferungen auf Wunsch kostenfrei gestoppt, storniert, verschoben oder ausgeliefert und bei Bedarf individuelle Lösungen vereinbart, so wie es die Bedarfslage der Händler erfordert", heißt es bei Adidas. Auch Puma-Chef Björn Gulden will erklärtermaßen weiter auf den Fachhandel und das Einkaufserlebnis setzen.

Doch trotz alledem: Die Koordinaten im Sportartikelgeschäft verschieben sich. Und Corona trägt dazu bei. Die Branche erlebt ein schlechtes Jahr, doch nicht alle trifft es gleichermaßen. "Nur wer in der Krise flexibel und beispielsweise über die sozialen Medien aktiv war, blieb auch beim Kunden präsent", sagt Mathias Krenski, Chefredakteur des Handelsfachblatts SAZ Sport. "Sobald die Geschäfte wieder öffnen durften, haben solche Läden auch wieder von guter Kundenfrequenz profitiert."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass der Händler Sport Scheck ebenso in einem Schutzschirmverfahren steckt. Dies ist falsch. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

© SZ vom 15.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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