Continental:Ein gelähmter Konzern

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Frostiger Empfang für die Conti-Führung: 2000 Beschäftigte wettern in Hannover gegen das Aus ihrer Reifenwerke - und bei der Hauptversammlung bekommt Neu-Eigner Schaeffler heftigen Gegenwind.

Es ist ein frostiger Empfang. Als der Name von Maria-Elisabeth Schaeffler zum ersten Mal fällt, herrscht eisiges Schweigen auf der Hauptversammlung des Autozulieferers Continental. Kaum eine Hand rührt sich zum Applaus. Die umstrittene Eigentümerin des Conti-Großaktionärs hat keinen leichten Stand. Vorstandschef Karl-Thomas Neumann schlägt Alarm: Es müsse schleunigst ein Konzept her, wie die Zukunft der beiden angeschlagenen Konzerne aussehe - sonst könne es zu einer "unkontrollierten Entwicklung" kommen. Und draußen, vor dem Tagungssaal in Hannover, protestieren am Donnerstag rund 2000 Beschäftigte gegen das Aus für Reifenwerke.

Demonstranten in Hannover: 2000 Beschäftigte aus Deutschland und Frankreich wetterten gegen das Aus für Conti-Reifenwerke. (Foto: Foto: dpa)

Drinnen schimpfen die Aktionäre: Schaeffler versuche, seine eigenen Probleme auf Kosten der Conti zu lösen. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Schaeffler etwa eigene Schulden auf Conti abwälze und Unternehmensteile zu Ramschpreisen verkaufe, weil die Gruppe dringend Geld brauche. Die Entwicklung der Conti sei katastrophal, wettert Heiko Barkemeyer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger - der Konzern sei von einem "Börsenstar" zu einem notleidenden Unternehmen geworden. Die umstrittene Unternehmerin Schaeffler sitzt vorne auf der Bühne.

Die Lage ist ernst: Die Autokrise hat Conti voll erwischt. Im vergangenen Jahr rutschte der Konzern in die roten Zahlen, der Schuldenberg ist wegen der VDO-Übernahme riesig. Die Dividende wurde gestrichen, der Sparkurs verschärft. Ende des Monats sind nach Firmenangaben in Deutschland rund 25.000 Beschäftigte in Kurzarbeit, bis Ende März wurden rund 6000 Jobs weltweit abgebaut. Bereits im vergangenen Jahr hatte Conti rund 8000 Stellen gestrichen.

Der Vorwurf an Schaeffler: Je länger ein Konzept fehle, desto mehr werde das Geschäft von Conti gelähmt. Mitarbeiter und Kunden seien zutiefst verunsichert, wie es weitergehe.

"Erhöhter Druck"

Schaeffler hat sich bei der Übernahme des drei Mal größeren Conti-Konzerns total verhoben. Die Gruppe, die knapp 50 Prozent an Continental hält, braucht Milliarden, bittet um Staatshilfen, im Hintergrund machen die Banken Druck. Ein seit langem angekündigtes Konzept zur Zukunft von Schaeffler und Conti aber gibt es bislang nicht. Conti-Vorstandschef Neumann versucht nun, den Druck auf Schaeffler zu erhöhen. Innerhalb von maximal 100 Tagen müsse es ein tragfähiges Zukunftskonzept geben, das Antworten auf Fragen gebe wie: Soll sich Conti auf das Geschäft als Autozulieferer konzentrieren, was wird aus der Reifensparte? Welche Unternehmensteile sollen verkauft werden? Wie soll das Automobilgeschäft alleine ohne die Beiträge der Reifensparte die Zukunftsthemen finanzieren? Conti alleine könne diese Fragen nicht beantworten.

Bei einer weiteren Verzögerung entwirft Neumann beinahe ein Horrorszenario: Ohne grundlegende Weichenstellungen sei der Handlungsspielraum von Conti sehr eingeschränkt, bis hin zu "starken Lähmungserscheinungen". Mit jedem verschenkten Tag steige das Risiko für die Conti, und dies in einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage.

Die Schaeffler-Vertreter im Aufsichtsrat nehmen die Kritik äußerlich unbewegt zur Kenntnis - sie scheinen sich auf den massiven Gegenwind eingestellt zu haben. Ein Unternehmenssprecher sagt: "Wir haben immer betont, dass wir das Gesamtkonzept in enger Abstimmung mit Continental und allen anderen Beteiligten erarbeiten. Es ist auch in unserem Interesse, dass dieser Prozess so rasch wie möglich, jedoch auch mit der notwendigen Sorgfalt und Nachhaltigkeit voran getrieben wird."

"Kein Begräbnis erster Klasse, sondern ein Anfang"

Für Konflikte sorgt auch das geplante Aus für Reifenwerke in Hannover und im nordfranzösischen Clairoix mit insgesamt rund 1900 Beschäftigten. Conti sieht angesichts des dramatischen Markteinbruchs keine Alternative dazu - die Beschäftigten aber sind stinksauer.

Vor dem Tagungssaal machen rund 2000 wütende Mitarbeiter aus Deutschland und Frankreich diesem Ärger lautstark, aber friedlich Luft. "Die kriminellen Bosse und Aktionäre erpressen uns mit dem Verlust unserer Arbeitsplätze", ruft der französische Conti-Arbeiter Xavier Matthieu seinen Kollegen zu. Sie müssten jetzt vereint für ihre Rechte kämpfen. Diese länderübergreifende Kundgebung sei ein "historischer Moment" in der Conti-Geschichte. "Die heutige Demonstration ist kein Begräbnis erster Klasse. Sie ist der Anfang."

Rund 1200 Arbeiter aus Frankreich sind mit einem Sonderzug zur Kundgebung angereist. Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus. In Frankreich nämlich war es am Dienstag zu Randalen gekommen. In Gewerkschaftskreisen allerdings hieß es: Es sei schwierig gewesen, die Franzosen in Hannover ruhig zu halten.

© sueddeutsche.de/dpa/Andreas Hoenig/Christiane Gläser/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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