CO₂:Sie gibt Gas

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Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist davon überzeugt, dass die CO₂-Bepreisung sozialverträglich eingeführt werden kann. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Umweltministerin Schulze will einen CO₂-Preis für Verkehr und Heizen einführen. Das könnte die Spritpreise erhöhen.

Von Markus Balser, Berlin

Als Umweltministerin Svenja Schulze Ende des vergangenen Jahres erstmals die Idee einer Abgabe gegen den Klimawandel aufbrachte, war der Protest gewaltig. Selbst im eigenen Lager. Zu groß war auch in der SPD die Angst vor französischen Verhältnissen in Deutschland. Dort hatte ein damals geplanter Aufschlag auf Spritpreise die nationalen Proteste der Gelbwesten ausgelöst. Doch seit den Wahlerfolgen der Grünen und den Klimaprotesten in Deutschland erlebt die große Koalition ihren ganz eigenen Klimawandel. Die Angst vor den eigenen Wählern ist größer als die vor Gelbwesten.

Am Freitag machte nun ein Auftritt Schulzes endgültig klar: Die Pläne für den CO₂-Preis werden in der Regierung immer konkreter. Schulze kündigte an, die Abgabe könne zuerst schrittweise im Verkehr und beim Heizen eingeführt werden. Sie stellte am Freitag dazu gleich drei Gutachten vor, die die Folgen des CO₂-Preises für die Bürger klar machen. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) haben bei ihren Berechnungen für 2020 einen CO₂-Preis von 35 Euro je Tonne angenommen.

Dieser soll schrittweise bis 2030 auf 180 Euro steigen. Bei den Spritpreisen würde dies anfangs zu höheren Preisen an der Zapfsäule von rund zehn Cent je Liter führen. Bis 2030 würde der Preis sogar 54 Cent höher liegen als heute. Der Preis für einen Liter Diesel würde damit von aktuell 1,30 Euro auf mehr als 1,80 Euro steigen. Doch Autofahrer wären nicht die einzigen, die draufzahlen. Belastet werden zudem Menschen, die in schlecht isolierten Häusern wohnen oder Ölheizungen haben. Erhoben werden soll der CO₂-Preis über höhere Sätze der bestehenden Steuern auf Benzin, Diesel, Heizöl und Heizgas. Das sei am praktikabelsten umzusetzen, sagte Schulze.

Ziel der Bundesregierung ist es, die Bürger nicht zusätzlich zu belasten - vor allem Geringverdiener nicht. Denn höhere Strom- oder Ölpreise würden wegen ihres hohen Anteils an den Ausgaben ohne Ausgleichsmaßnahmen vor allem niedrige Einkommen besonders stark belasten. So plant das Ministerium im Gegenzug eine Klimaprämie. Wer sich klimafreundlicher verhält, etwa E-Auto fährt oder ein sehr gut gedämmtes Haus hat, soll eine besonders hohe Prämie bekommen. Die Wissenschaftler schlagen eine durchschnittliche Prämie von 80 oder 100 Euro pro Person und Jahr vor. Mehreinnahmen für den Staat solle die Abgabe nicht schaffen, erklärte Schulze. Das Geld solle vollständig an die Bürger zurückfließen. Der genaue Mechanismus ist offen.

Dem DIW zufolge könnten durch Gegenmaßnahmen einkommensschwächere Haushalte zumeist leicht entlastet werden. Für die Mittelschicht wären die Effekte neutral, reichere Haushalte würden etwas draufzahlen. Die Abwicklung des komplexen Verfahrens könnte das Bundeszentralamt für Steuern übernehmen. Das habe bereits viele der notwendigen Daten, sagte die IMK-Forscherin Katja Rietzler.

Die Umweltministerin will die Erkenntnisse der Forscher am 18. Juli in das Klimakabinett der Bundesregierung einbringen. "Gerade in den Bereichen Verkehr und Wärme fehlen bislang genügend Preisanreize für einen Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen", sagte Schulze. Die große Koalition will noch in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz beschließen. Es soll sicherstellen, dass das Klimaziel für 2030 erreicht wird. Es sieht vor, dass der CO₂-Ausstoß bis dahin um 55 Prozent gegenüber 1990 zurückgeht.

Bislang verfehlt Deutschland seine Klimaziele. Anders als beabsichtigt, wird die Bundesrepublik im kommenden Jahr nicht 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 ausstoßen, sondern nur etwa 32 Prozent. Um bis zum Jahr 2030 auf den Pfad der Emissionsreduktion zu kommen, zu dem sich die Bundesregierung international bekannt hat, will sie nachsteuern. Der CO₂-Preis gilt dafür als wirkungsvolles Instrument. Bis 2030 könnten allein in den Bereichen Verkehr und Heizen den Gutachtern zufolge sechs bis 22 Prozent der Treibhausgase eingespart werden. Das entspricht 74 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr. Im vergangenen Jahr lag der Ausstoß von Treibhausemissionen bei 869 Millionen Tonnen.

"Fliegen darf künftig nicht mehr billiger sein als der Bahnverkehr."

Die Einführung ist in der großen Koalition jedoch weiterhin umstritten. Während die SPD für ein solches Konzept wirbt, bleibt die Union skeptisch. "Umverteilungskonzepte unter dem Deckmantel des Klimaschutzes überzeugen nicht", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef im Bundestag, Georg Nüßlein. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte höhere Steuern etwa auf Kraftstoffe bereits ausgeschossen. Schulze sei leider in der Regierung allein auf weiter Flur, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Die Umweltministerin mahnt trotz neuer Kritik an dem Konzept zur Eile. Die Regierung müsse die Maßnahmen noch in diesem Jahr endlich auch beschließen. "Wir haben schon genug Zeit verloren", warnte sie am Freitag.

Deutschland wäre nicht das erste Land, das eine nationale CO₂-Bepreisung einführt. Andere sind den Schritt bereits gegangen. Zuerst haben Großbritannien, Schweden und die Schweiz solche Systeme eingeführt. Akzeptanz schafft dort, dass die Einnahmen meist zurückfließen. In der Schweiz etwa erhalten die Bürger zwei Drittel zurück. Im vergangenen Jahr bekam jeder Bürger über seine Krankenversicherung knapp 90 Franken zurück. Der Druck wächst über den CO₂-Preis hinaus auch auf weitere Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehr - über das Auto hinaus. "Fliegen darf künftig nicht mehr billiger sein als der Bahnverkehr", kündigte Schulze am Freitag an.

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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