Der Weg von der Parkbank ins eigene Schloss ist lang: Die Obdachlosen müssen im Online-Spiel "Clodogame" mühsam Metro-Tickets aufsammeln, sich zu Banden zusammenschließen und Kämpfe um ihre Stadtviertel austragen. Wer erfolgreich sein will, darf auch vor Diebstählen und Handgreiflichkeiten nicht zurückschrecken.
Diese Spiel-Szenen erhitzen seit einer Woche in Frankreich die Gemüter. Sogar ein Verbot des aus Deutschland stammenden, kostenlosen Internet-Rollenspiels ist im Gespräch. Das Spiel bediene die "schmutzigsten Klischees" und missachte die Würde der Obdachlosen, schimpft der für Stadtentwicklung zuständige Staatssekretär Benoist Apparu. Derzeit werde geprüft, wie rechtlich gegen das Spiel vorzugehen sei. Den Machern des Spiels wirft Apparu vor, menschliches Leid zu benutzen, um einen "Werbe-Coup" zu landen.
"Clodogame" sucht den "talentiertesten Penner von Paris", der es zum Schlossherrn von Versailles schafft. Mehr als 33 000 Franzosen haben sich nach Angaben des Anbieters bereits in den ersten Tagen für "Clodogame" registriert. Der Name leitet sich von der französischen Bezeichnung "clochard" für "Penner" ab.
Obdachlose haben nichts auszusetzen
Der Anbieter sieht den Verbotsplänen noch gelassen entgegen. Als das Spiel vor einem Jahr unter dem Namen "Pennergame" in Deutschland online ging, habe es auch hier Proteste gegeben, die jedoch folgenlos blieben, so Jaqueline Ernst vom Hamburger Unternehmen Farbflut Entertainment.
In der Bundesrepublik gebe es mittlerweile mehr als zwei Millionen Spieler - auch in Spanien und Polen können Internetnutzer in die Rolle eines Obdachlosen schlüpfen. "Das Spiel ist satirisch", erläutert Ernst, es wolle nicht die Wirklichkeit abbilden. Trotzdem werde die Kritik ernst genommen. In Deutschland habe man Obdachlosen das Spiel vorgeführt und diese hätten nichts auszusetzen gehabt.
Anders in Frankreich. Das Spiel bestätige die Klischees, die die breite Masse ohnehin von Obdachlosen habe, erklärt Jacques Deroo, selbst ehemaliger Obdachloser, der Zeitung Le Parisien. Auch ein Sprecher des französischen Roten Kreuzes nennt das Spiel "eine Schande". Das Bild, das dieses Spiel von Obdachlosen vermittle, sei genau das, wogegen man anzukämpfen versuche.
Entwickelt wurde das Spiel nach Angaben des Anbieters vor zwei Jahren von zwei damals 18-Jährigen. Nach eigenen Angaben ist "Pennergame" mittlerweile eines der größten Browser-Spiele in Deutschland.