Cicero:Ein ambitioniertes Zeitschriftenprojekt

Lesezeit: 3 min

Der Schweizer Verleger Michael Ringier startet "Cicero", ein Magazin für Deutschland und die politische Kultur.

Von Hans-Jürgen Jakobs und Claudia Tieschky

Schweizer haben es in Deutschland in den letzten Jahren zu einiger Wirkung gebracht. Josef Ackermann lenkt die Deutsche Bank, Roger Schawinski den Fernsehsender Sat1. Von besonderer Güte aber ist ein Presse-Vorhaben des Züricher Großverlegers Michael Ringier.

Michael Ringier (Foto: Foto: AP)

An diesem Donnerstag kreuzt der hoch aufgeschossene Unternehmer mit der gesamten Konzernleitung in Berlin auf. Der Weg führt nach Potsdam, in eine Villa nahe der Glienicker Brücke, in deren Nachbarschaft früher die große Weltbühne erschien. Nun arbeiten vor den Toren Berlins rund 20 Leute im Auftrag Ringiers an einem neuen "Magazin für politische Kultur", wie es im Untertitel heißt: Cicero soll jeden Monat die Debattenkultur Deutschlands beleben.

Die Spaßgesellschaft ist vorbei

"Wir machen, wofür andere keinen Platz haben", sagt Chefredakteur Wolfram Weimer: "Es gibt in Deutschland ein Bedürfnis nach vertieften, ernsthaften Diskussionen." Die Spaßgesellschaft ist zu Ende. Der Journalist hat recht schnell nach seinem Abgang aus der Welt-Spitze in der Axel Springer AG den eidgenössischen Branchenprimus Ringier für die Idee eines deutschen Atlantic Monthly gewinnen können.

Nun liegt die Nullnummer auf dem Tisch eines Münchner Restaurants. Weimer hat die Vorarbeiten für einen Tag unterbrochen und ist auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen, um wie in den vergangenen Jahren mit den Kindern die berüchtigte Kandahar-Skiabfahrt herunterzukurven. Er erklärt Ressorts wie "Weltbühne", "Berliner Republik", "Kapital" und "Medienmacht".

Man schaut auf ein Gerhard-Schröder-Fotoessay von Jim Rakete und auf zeitgenössische Gemälde aus dem Kanzlerheim in Hannover, die Schröder als Machtmensch zeigen. Man sieht ganzseitige Porträtfotos anderer Menschen, erspäht Kolumnen ("Stadt Land Fluss") wie im New Yorker und merkt sich Autoren wie Habermas, Nadolny, Schäuble, Walser, Raddatz.

Ein Angebot für Bildungsbürger

Am 25. März erscheint Cicero. 120.000 Exemplare Druckauflage, sieben Euro, 140 Seiten. Ein Angebot an politisch interessierte Bildungsbürger, denen der römische Redner Marcus Tullius Cicero kein Unbekannter ist und die auch nach Lektüre von Tageszeitungen, Spiegel und Zeit neugierig sind.

Michael Ringier hat das Projekt Potsdam im Dezember von seiner "Privat-AG", mit der er in Verheißungsvolles investiert, in die Konzern AG überführt. Der Start wird erleichtert, da der Condé Nast Verlag wohl kein Objekt in der Art seiner US-Erfolgsblätter Vanity Fair und New Yorker lanciert. Was aber startet, ist Metropol von Buchautor und Ex-FAZ-Mann Florian Illies.

Große Verluste entstehen durch Cicero nicht, rechneten Ringiers Manager; der Investitionsbedarf dürfte bei knapp über zehn Millionen Euro liegen. Das ist wenig für einen Konzern, der in der Schweiz die größte Boulevardzeitung (Blick) und die größte Zeitschrift (Schweizer Illustrierte) herausgibt, der in Osteuropa zur Zeitungsmacht aufstieg und mit dem Handelsriesen Coop das lukrative Kochheft Betty Bossi macht, das in China als Bettys Kitchen existiert.

Beim Mittagessen dementiert Ringier, dass er das hochwertige Magazin in Deutschland starte, weil er den Niederungen des Boulevards entkommen wolle, in denen sich etwa Streitereien über eine angebliche Sex-Affäre des ehemaligen Schweizer Botschafters Thomas Borer abspielten.

Reine Lust auf Neues

Erstens sei Blick mit einem eigenen Kulturteil anspruchsvoll, zweitens gehe es höchstens um eine Anreicherung des Portfolios. Ihn treibe die Lust an Cicero: "Das ist keine Frage der Liga, in der man spielt." Als Verleger wolle er, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Neues wagen. Zudem sehe er das Blatt als "Andockstelle", um Autoren zu binden, die auch für andere Ringier-Objekte schreiben könnten. Selbst mit der Ertragskraft einer Auflage von 50.000 könnte man im Falle Ciceros gut leben.

Tatsache ist, dass Ringier schon mal in Deutschland mit Spezialzeitschriften (Globo, Natur) scheiterte. Tatsache ist auch, dass er wiederholt die einst angesehene Züricher Weltwoche kaufen wollte. "In der Schweiz allein kommen wir nicht mehr weiter", sagt Ringier. Und der einst diskutierte Einstieg bei Springer wäre ihm zu teuer gekommen ("es war eine Opportunität").

Erster Journalist des Hauses

Michael Ringier ist - so wie in Deutschland Hubert Burda - als Verleger auch allererster Journalist des Hauses. So legt er beim Besuch in Potsdam schon mal persönlich Hand an Cicero. Die nötigen Dienstleistungen hat er klug an mehrere Verlage verteilt: Burda kümmert sich um Abonnenten, Gruner+Jahr um den Kioskvertrieb, die Holtzbrinck-Tochter GWP um Anzeigen. Es sitzen viele in diesem Boot.

Kanzler Gerhard Schröder, den deutsche Medien derzeit lustvoll zerzausen, ist sehr an der Schweizer Sache interessiert. Ringiers journalistischer Doyen Frank A. Meyer hat ihn 2003 beim Filmfestival von Locarno eingeweiht. An diesem Donnerstag nun feiert Meyer mit Ringier sowie den Top-Managern und prominenten Autoren in einer Berliner Bar seinen 60. Geburtstag - und auch der Kanzler kommt. Vielleicht kann er von Cicero noch lernen.

© SZ vom 19.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: