Chips aus Dresden:"Deutschland kann High-Tech"

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Der Autozulieferer Bosch investiert eine Milliarde Euro in eine eigene Chipfabrik in Dresden - es ist die größte einzelne Investition in der Geschichte des Stuttgarter Konzerns.

Von Michael Bauchmüller und Max Hägler, München/Berlin

Als die Herren Geschäftsführer im Januar hoch über Stuttgart in der Villa Bosch zusammensaßen, beim Jahresgespräch, da waren sie noch zurückhaltend. Ja doch, der größte Autozulieferer der Welt werde bald wieder groß investieren, meinten sie und lächelten ein wenig. Aber in was genau, das sei noch in der Prüfung. Vor nicht allzu vielen Jahren haben sie bei Bosch in die Produktion von Solarzellen investiert und sind dann bald ernüchtert wieder ausgestiegen - Geld verdienen ließ sich aufgrund der zahlreichen Konkurrenz nicht. Seitdem sind sie noch vorsichtiger geworden in Schwaben.

Nun ist klar, worüber sie grübelten: Eine eigene Computerchip-Fabrik, noch dazu in Deutschland, genauer in Dresden.

Das ist ähnlich gewagt und teuer wie damals die Sache mit der Sonnenenergie. Denn es gibt schon etliche Chip-Fabriken in der Welt; und üblicherweise lassen Technikkonzerne im Westen, Apple etwa, ihre Platinen in Fernost im Auftrag fertigen. Aber: Der meist recht verschwiegene Konzern aus Stuttgart will Kerntechnologien selbst in der Hand behalten - ohne, dass jemand von außen hineinschauen kann. "Für Bosch war das eine ganz wichtige Entscheidung", sagt Dirk Hoheisel, der zuständige Geschäftsführer bei Bosch, "dass man noch einmal in die Halbleiterfertigung geht." Dennoch habe es "lange, intensive Diskussionen" gegeben, erzählt Hoheisel. Denn diese Fabrik ist die größte Einzelinvestition in der 130-jährigen Firmengeschichte: rund 1,3 Milliarden Euro soll das neue Werk kosten.

Die Schwaben wollen allerlei Geräte vernetzen und natürlich Autos

Schon bisher fertigt Bosch eigene Chips. Doch die Produktion in Reutlingen ist an ihre Grenzen gekommen. Dort entstehen Halbleiter in 150- und 200-Millimeter-Technologie, Chips werden also auf Scheiben von 15 oder 20 Zentimeter Durchmesser gefertigt. In Dresden nun soll sich alles um 300-Millimeter-Scheiben drehen. Ihrer Größe wegen haben sie Platz für mehr Chips, entsprechend mehr davon lassen sich je Fertigungsschritt herstellen. "Es ist ein Riesenbedarf nach Halbleitern da", sagt Hoheisel, "Sie sind die Kernkomponente aller elektronischen Systeme."

Doch sind Chips nicht die Domäne von Firmen aus den USA oder Asien? "Deutschland braucht High-Tech und kann High-Tech", sagt Volkmar Denner, der oberste Geschäftsführer von Bosch. Der Physiker hat einst die Chip-Fabrik in Reutlingen mitentworfen, seit fünf Jahren ist er in der Gesamtverantwortung und hat seitdem die Digitalisierung und Vernetzung als wichtigstes Ziel ausgerufen. Das Unternehmen baut zwar weiter Scheibenwischer und Bohrmaschinen - aber künftig soll die Welt vernetzt sein und die Technik ein bisschen schlau, wiederholen Denner und sein Kollege Hoheisel ein ums andere Mal. "Internet der Dinge" heißt das Konzept, an dem bei Bosch bereits 4000 Programmierer arbeiten. Dazu braucht es Ideen, Software und eben die richtigen Plattformen, auf denen der Code läuft, also Halbleiter. Geräte im Haushalt sollen dann miteinander kommunizieren können und vor allem Autos. Unter anderem mit Daimler treibt das Stuttgarter Unternehmen die Entwicklung selbstfahrender Wagen voran.

Die Regierung will die Technik in Deutschland halten und gibt 200 Millionen Euro dazu

Wenn Fahrzeuge dereinst nicht mehr auf die Augen und Ohren ihres Fahrers angewiesen sein sollen, dann braucht es andere, mindestens ebenso verlässliche Sensoren und elektronische Steuerungen. Es locken gute Geschäfte: Schon jetzt habe jedes neu ausgelieferte Auto weltweit im Schnitt neun Chips des Unternehmens an Bord, haben die Schwaben ausgerechnet. Auch in drei von vier Smartphones stecken Bosch-Sensoren, die etwa feststellen, ob das Handy vertikal oder horizontal gehalten wird. Solcherlei Chips sollen in wenigen Jahren auch aus Dresden kommen.

Glaubt man den Bosch-Leuten, dann standen andere Standorte Schlange für die Milliarden-Ansiedlung. Welche oder wie viele das waren, will Hoheisel nicht verraten. "Wir haben uns weltweit umgeschaut", sagt er nur. "Dresden hat aus vielen Gründen gewonnen." Einer davon dürfte finanzieller Natur sein, denn der Bund gibt bis zu 200 Millionen Euro dazu, an "Technologieförderung". Schließlich sei es wichtig, dass Deutschland derlei Technologien besitze, sagt Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig. Die EU-Kommission, die sich sonst jede Hilfe an ein Unternehmen bis ins Detail anschaut, dürfte an der Bosch-Prämie wenig Anstoß nehmen.

Schließlich gilt die Ansiedlung von Mikroelektronik auch Brüssel als "wichtiges Vorhaben von europäischem Interesse". Geprüft wird die Millionenspritze aber dennoch. Und auch vom Freistaat Sachsen winkt Unterstützung, schließlich sollen in Dresden bis zum Jahr 2021 rund 700 neue Arbeitsplätze entstehen. Wie viel, das wollte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Montag noch nicht beziffern. Bosch könne aber davon ausgehen, dass die sächsischen Behörden hilfsbereit seien. So viel Entgegenkommen macht auch Hoheisel ganz euphorisch: "Ich fand es Klasse, dass Sie uns dabei unterstützt haben, dass wir in Deutschland bleiben."

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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