Chinesische Investoren:Begehrte Bräute

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Deutsche Unternehmen werden als Übernahmekandidaten bei chinesischen Firmen immer beliebter.

Von Marcel Grzanna

Der Begriff "der deutsche Mittelstand" klingt in den Ohren chinesischer Unternehmer wie Musik. Die süßen Klänge lösen Träume aus von innovativen Technologien und langlebiger Verlässlichkeit. Wer sich diese Attribute auf dem Weltmarkt an die eigenen Fahnen heftet, der genießt bei Kunden einen Vertrauensvorschuss, um den andere Firmen lange buhlen müssen. Das macht den deutschen Mittelstand attraktiv für Übernahmen aus dem Ausland. Besonders in China weckt das deutsche Ingenieurwesen Begehrlichkeiten, weil die dortigen Unternehmen die schwere Bürde vom Billig-Image mit sich herumschleppen und sie häufig in Deutschland die Lösung für dieses Problem zu finden hoffen.

2012 wanderte das Bild des gefräßigen roten Drachens durch die Köpfe

Aus China fließt deshalb zunehmend Geld in die deutsche Wirtschaft. Im Februar übernahm der Mischkonzern Beijing Enterprises für 1,44 Milliarden Euro den Stromerzeuger EEW Energy from Waste aus dem niedersächsischen Helmstedt. Im gleichen Monat stieg der Energiekonzern Shanghai Electric bei der Manz AG ein, einem schwäbischen Maschinenbauer, der unter anderem Apple zu seinen Kunden zählt. Bereits im Januar hatte sich ein Konsortium um den staatlichen Chemiekonzern Chem China den Industriemaschinenbauer Krauss-Maffei für 925 Millionen Euro einverleibt.

Der Kauf von EEW durch Beijing Enterprises ist der teuerste, den ein chinesisches Unternehmen in Deutschland bislang getätigt hat. Dennoch herrschte weniger Aufregung um das Geschäft als beim Einstieg des chinesischen Baumaschinenriesen Sany beim Betonpumpenbauer Putzmeister im Jahr 2012. Damals gingen Medien, Gewerkschaft und Teile der Belegschaft auf die Barrikaden aus Angst vor einem Ausverkauf des Traditionsunternehmens an einen seelenlosen Großinvestor aus Fernost. Die Angst vor dem Verlust der Arbeitsplätze ging um. Das Bild des gefräßigen roten Drachens, der alles mit Haut und Haaren verschlingt, wanderte durch die Köpfe. Vier Jahre später hat sich die Aufregung gelegt. Putzmeister macht weiter wie früher. Der Standort Aichtal und die Arbeitsplätze sind bis 2020 vertraglich gesichert. Unternehmensgewinne bleiben in Deutschland, heißt es. Die Gewerkschaft ist zufrieden.

Das gute Verhältnis zwischen dem Riesenkonzern Sany und seiner schwäbischen Braut hat andere Übernahmen in Deutschland durch chinesische Investoren erleichtert. Die Skepsis ist vielerorts dem Pragmatismus gewichen. Auch Geld aus China stinkt nicht, solange Arbeitsplätze sicher und das deutsche Management weitgehend unabhängig sind.

Das gesteigerte Misstrauen gegenüber chinesischen Investoren liegt darin begründet, dass es überwiegend Unternehmen sind, an denen staatliche chinesische Institutionen die Mehrheit oder zumindest große Anteile halten. In einem stark marktwirtschaftlichen Umfeld wie in Deutschland bereitet diese Konstellation manchem Beobachter Sorgen, weil Chinas Regierung trotz jahrzehntelanger Öffnungspolitik weiterhin auf starke planwirtschaftliche Elemente setzt. Mitarbeiter bangen um die Freiheit ihrer Unternehmen, weswegen die Manager beim Verkauf stets auf die zukünftige Autonomität ihres Handelns verweisen. Dieter Manz von der Manz AG betonte bei Bekanntgabe des Einstiegs von Shanghai Electric: "Wir bleiben eine unabhängige Firma."

Meistens geht es den Chinesen bei ihren Einkaufstouren um dreierlei. Sie wollen im Ausland expandieren, weil die heimische Wirtschaft nicht mehr die gleiche Dynamik hat wie noch vor zehn Jahren. Also wachsen sie durch internationale Zukäufe, um das Geschäft anzukurbeln. Der Drang nimmt stetig zu, weil sich die Abkühlung der chinesischen Konjunktur kontinuierlich fortsetzt.

Zweitens sind chinesische Hersteller am Zugang zu Hochtechnologie interessiert, die gerade in Deutschland in unzähligen mittelständischen Firmen zu finden ist. Trotz steigender Aufwendungen in China für Forschung und Entwicklung sind nur ganz wenige Firmen in der Lage, technische Maßstäbe in ihren Bereichen zu setzen. Und drittens interessieren sich die Asiaten für die Vertriebswege der deutschen Firmen. Deren bereits vorhandene Logistik ist ein wertvoller Aspekt, der chinesische Investoren anlockt, weil sie den Auslandsvertrieb ihrer eigenen Produktpalette über die deutschen Kanäle laufen lassen können.

Chinesische Investoren haben mitunter mehr zu bieten als nur Kapital

Für dieses Paket an Vorteilen sind die Chinesen bereit, Zugeständnisse zu machen. Das schlägt sich zuallererst im Kaufpreis nieder. Finanzstarke chinesische Firmen zahlen hohe Summen, um sich das Label "Made in Germany" ins Haus zu holen. Die administrativen Herausforderungen gehen aber erst nach der Einigung los. Die Firmenbosse sind es in China nicht gewohnt, mit Gewerkschaften oder Betriebsräten umzugehen. Zwar gibt es solche rein nominell auch in der Volksrepublik. Doch sie sind keineswegs autonome Organe in einem ausbalancierten Kräftesystem wie in Deutschland, sondern verlängerte Arme der allein regierenden Kommunistischen Partei.

Bisher erweisen sich die Chinesen als sensibel genug, um gar nicht erst den Versuch zu wagen, die industriellen Beziehungen in Deutschland in Frage zu stellen.

Doch die Chinesen haben in manchen Fällen mehr zu bieten als nur Kapital. "Gemeinsam mit Shanghai Electric wollen wir die Verkäufe unserer Technologie in China fördern", sagte Dieter Manz. Die Motivation für beide Seiten sei es, die Technologie, "für deren Entwicklung wir in Deutschland so viel Geld ausgegeben haben", in China zu kommerzialisieren. Besondere Hoffnung steckt Manz dabei in die Solar-Technologie. Auch beim Gabelstapler-Hersteller Linde aus der Kion AG, bei dem schon Ende 2012 der Motorenbauer Weichai zum größten Anteilseigner wurde, öffneten sich ebenso attraktive Vertriebswege in der Volksrepublik, die sonst nur sehr mühsam zu erschließen gewesen wären.

Es gibt aber auch Schwierigkeiten bei solchen Übernahmen, die ganz praktischer Natur sind. Die Aufsichtsratssitzungen, an denen die chinesischen Gesellschafter teilnehmen, werden deutlich komplizierter. Eine gemeinsame Sprache haben deutsche und chinesische Manager oft noch nicht gefunden. Dann sind Simultanübersetzer nötig.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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