China und Daimler:Plötzlich mittendrin

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Der chinesische Auto-Unternehmer Li steigt bei Daimler ein: Wie soll man darauf reagieren, wenn sich von China gelenkte Investoren einkaufen?

Von Christoph Giesen, Stefan Mayr und Henrike Roßbach, Berlin/Peking/Stuttgart

Anfang der Woche war er noch in Deutschland. Erst in Stuttgart, dann in Berlin. Ein Mann auf Werbetour in eigener Sache: Li Shufu, der Gründer des chinesischen Autokonzerns Geely, und seit Ende vergangener Woche der größte Aktionär des Autoherstellers Daimler. 9,7 Prozent hält Li nun, ein Wahnsinnscoup. Erst an jenem Freitag, berichtet ein Aufsichtsrat, habe er von Lis Einstieg überhaupt erfahren. Per E-Mail. "Wir waren alle überrascht. Das war schon sehr clever, wie er das hingekriegt hat."

Was aussieht wie ein plötzlicher Schritt, wurde offenbar über Monate vorbereitet. Im Zentrum des Deals steht eine Firma in Hongkong: Tenaciou3 Prospect Investment Ltd. Sie wird in einer Stimmrechtsmitteilung von Daimler als neuer Eigentümer der Li-Anteile genannt. Gegründet wurde die Firma erst am 27. Oktober vergangenen Jahres. Stammkapital ein Hongkong-Dollar - umgerechnet zehn Cent. Wenige Wochen später beauftragte Tenaciou3 zwei Investmentbanken mit dem Aufbau des Daimler-Pakets. Morgan Stanley und die Bank of America Merrill Lynch. Sie beschafften einen Großteil der Aktien über Optionen und Swaps. Aber auch Tenaciou3 selbst kaufte ein. Weil Li zunächst keinen Zugriff auf die Papiere hatte, konnte er die gesetzlichen Meldepflichten umgehen. Die Überraschung gelang. Li besitzt nun Daimler-Anteile im Wert von 7,5 Milliarden Euro. Was genau er damit vorhat, ist unklar. Agiert er unabhängig oder im Auftrag Pekings, wie jüngst auch die Financial Times fragte?

Die EU will Regeln schaffen, um solche Übernahmen strenger prüfen zu können

Die Unruhe ist jedenfalls groß. Selbst auf der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić war Geely ein Thema, obwohl es dort eigentlich um Dinge wie die EU-Perspektive für das Balkanland gehen sollte. "Wir gehören zu denen, die sagen: Wir wollen offene Beziehungen", sagte Merkel, als sie dennoch nach ihrer Meinung gefragt wurde. Sie verwies auch auf die kuwaitischen Investoren, die es bei Daimler bereits gibt. Zu klären sei aber sicherlich noch, "ob es Lücken in der Transparenz der Meldepflichten gibt". Auf den ersten Blick sehe sie keine Verstöße, die genaue Prüfung sei Sache der Finanzaufsicht Bafin. "Wir als Politik sind dabei jetzt nicht gefragt."

Nach dem Kauf posierte Li "Eric" Shufu im Volvo auf dem Tiananmen-Platz. Mittlerweile hat sich der Wert der Marke vervielfacht. (Foto: Feng Li/Getty Images)

Das geprüft werden soll, ob alles mit rechten Dingen zuging, zeigt auch ein Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums für den Wirtschaftsausschuss des Bundestags, der sich am Mittwoch mit dem Thema befasste. In dem inzwischen bekannt gewordenen Bericht werden zwar die Stimmrechtsschwellen von drei, fünf und zehn Prozent für eine Pflichtmeldung bei der Bafin bestätigt. Es heißt aber auch, sie gelten für einige Finanzinstrumente wie Optionen und Termingeschäften nur eingeschränkt. Dennoch werde die Bundesregierung "vor dem Hintergrund des aktuellen Falls prüfen, ob die vorhandenen Vorschriften ausreichen, um ein ausreichendes Maß an Transparenz zu gewährleisten". Eine Entscheidung aber bleibe der neuen Regierung vorbehalten.

Die geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte, das Ganze müsse aufmerksam betrachtet werden. Am Dienstag traf sie sich dann mit Li in Berlin. Auch bei Lars-Hendrik Röller, dem Wirtschaftsberater der Bundeskanzlerin, bekam Li eine Audienz. In der Stuttgarter Daimler-Zentrale wiederum konnte der neue Großaktionär Mitglieder des Vorstands treffen. Das Unternehmen selbst schweigt über den Antrittsbesuch beharrlich, aus Kreisen des Top-Managements heißt es aber, Li habe sich "offen, klar und freundlich" gezeigt und sei damit "gut angekommen". Der neue Unionsfraktionsvize Christian Hirte sagte, er habe Li in Berlin getroffen. Dieser habe deutlich gemacht, dass er alle rechtlichen Vorgaben eingehalten habe und dass er keinen Sitz im Aufsichtsrat anstrebe. "Er sieht offenbar eher eine Chance im inhaltlichen Austausch", sagte der CDU-Politiker über die mögliche Motivation des Investors, weniger technologisch sondern eher, was Geschäftsmodelle der Zukunft angehe. "Es ist gut, wenn sich ausländische Investoren in Deutschland engagieren", sagte Hirte. "Wir haben auch kein Problem damit, dass das chinesische Investoren tun." Die eigentliche Herausforderung sei, dass es umgekehrt für deutsche Investoren in China viel schwieriger sei. Deutschland müsse gemeinsam mit der EU darauf dringen, "dass China unsere Vorstellungen eines freien Marktes auch bei sich zu Hause akzeptiert".

Die EU-Handelsminister haben bei ihrem informellen Treffen in Sofia diese Woche dennoch deutlich gemacht, dass sie den Shoppingtouren ausländischer Investoren in Zukunft mehr entgegensetzen wollen. Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) sagte der SZ nach dem Treffen, Direktinvestitionen und Übernahmen aus dem Ausland seien zunächst zu begrüßen. Teilweise aber würden solche Transaktionen auch von ausländischen Regierungen subventioniert. Die EU wolle einen Rechtsrahmen schaffen, damit europäische Staaten zumindest ihre kritische Infrastruktur besser schützen und Übernahmen strenger prüfen können. Mit Geely, sagte Machnig, habe das nichts zu tun. Dass diese europäische Initiative, an der schon seit vergangenem Jahr gebastelt wird, vor allem China im Blick hat, ist allerdings kein Geheimnis, nicht nur in Berlin.

Inzwischen ist der Geely-Chef wieder zurück in China. Die Pflicht ruft. In Peking tagt der Nationale Volkskongress. Am Montag wird Premierminister Li Keqiang in der Großen Halle des Volkes den Arbeitsbericht der Regierung vortragen. 2980 Delegierte sitzen dann im Saal. Einer von ihnen wird Li Shufu sein. Er vertritt die ostchinesische Provinz Zhejiang. In Hangzhou, der Hauptstadt von Zhejiang, hat Geely seinen Sitz.

In diesem Jahr stehen beim Volkskongress Wahlen an. Parteichef Xi Jinping soll für eine zweite Amtszeit als Präsident bestätigt werden. Und auch Premierminister Li Keqiang will fünf weitere Jahre Regierungschef bleiben. Beides Formsache. Genauso wie eine Verfassungsänderung, die die Delegierten abnicken werden. Statt zwei Amtszeiten soll es für den Präsidenten künftig keine Beschränkungen mehr geben. Xi Jinping auf Lebenszeit. Mit einer Gegenstimme des neuen Daimler-Großaktionärs ist nicht zu rechnen.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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