China:Süßes mit schlechten Gedanken

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Mittel zum Zweck: frisch gebackene Mondkuchen. (Foto: Antony Wallace/AFP)

Weil der Sohn einer Bäckerei die Proteste in Hongkong gut findet, boykottiert China deren Mondkuchen.

Von Christoph Giesen

Ende der Woche ist es soweit: Der 15. Tag des achten Monats des chinesischen Kalenders steht an, das Mondfest, Chinas Erntedank. Diesmal fällt er auf den 13. September. An keinem Tag des Jahres soll der Mond heller scheinen, voller und runder sein. Die Familien kommen dann zusammen und schauen gemeinsam zum Himmel. Dazu gibt es Mondkuchen, süße Küchlein mit ganz unterschiedlichen Füllungen: rote Bohnenpaste, Lotussamen, Datteln und Nüsse, aber auch getrocknetes Rindfleisch, Süßkartoffeln oder gesalzenes Eigelb, das den Vollmond darstellen soll. Vor der großen Antikorruptionskampagne von Staats- und Parteichef Xi Jinping bekamen Beamte manchmal sogar Kuchen mit eingebackenen Goldstücken überreicht. Damit ist Schluss, dennoch ist der Mondkuchenhandel ein Milliardengeschäft in China.

Sehr beliebt sind die besonders weißen Mondkuchen der Hongkonger Bäckereikette Taipan Bread and Cake - beziehungsweise, sie waren es. Bis Garic Kwok, der Sohn des Firmengründers, auf Facebook sich mit den Demonstranten solidarisierte, die seit Wochen gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz auf die Straßen der ehemaligen Kronkolonie gehen. Vergangene Woche griff die V olkszeitung, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, Kwoks Äußerung auf und warf ihm vor, "die Aktivitäten der in schwarz gekleideten Personen zu unterstützen", seine Kuchen seien mit "schlechten Gedanken" gefüllt, geißelte das Blatt. Seitdem ist für Taipan nichts mehr, wie es einmal war.

Alle großen Onlinehändler in der Volksrepublik haben den Verkauf eingestellt. In den Supermärkten wurden Taipan-Kuchen aus den Regalen geräumt. Zwar löschte Kwok seinen Facebook-Eintrag und bat um Entschuldigung - doch vergeblich. Ein Importeur meldete, man habe so viele Mondkuchen-Rücksendungen erhalten, dass nun nichts anderes übrig bleibe, als die makellosen, weißen Küchlein zu vernichten.

Ähnlich wie Taipan ergeht es auch anderen Unternehmen: Sie sind in der Hongkong-Krise in den Fokus der chinesischen Propaganda geraten. Am ärgsten getroffen hat es bisher die Fluggesellschaft Cathay Pacific. Knapp 30 000 Angestellte arbeiten für das Unternehmen in Hongkong, etliche von ihnen haben an Protesten und Streiks teilgenommen. Mitte August verfügte die chinesische Luftfahrtbehörde daher, dass nur noch Flugbegleiter und Piloten die Einreise in die Volksrepublik gestattet sei, die nicht an "illegalen Protesten" beteiligt gewesen sind. Ja, nicht einmal China überfliegen dürften Mitarbeiter, die an Demonstration teilgenommen haben. Für Cathay Pacific ist das ein schwerer Schlag. Fast alle Verbindungen nach Europa und in die Vereinigten Staaten durchqueren chinesischen Luftraum, knapp ein Viertel der Ziele befinden sich direkt in China. Für Cathay Pacific und Taipan geht es jetzt um alles. Und die Volkszeitung legt genüsslich nach.

Ausgerechnet Annie Wu, die Tochter des Gründers der Hongkonger Restaurantkette Maxim's wurde am Sonntag in einem Artikel gelobt. Maxim's ist ein Wettbewerber von Taipan im lukrativen Mondkuchengeschäft. Wu sorge sich um die Jugend in Hongkong und "hält sich eindeutig an das Ein-Land-Prinzip", frohlockte die Volkszeitung. Ein Land, zwei Systeme, das ist die offizielle Formel. Und übrigens: "Die Mondkuchen von Maxim's sind äußerst beliebt", stellte das Blatt fest.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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