China:Die Investoren kommen

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Als die Welt noch in Ordnung war: Xiongan aus der Luft. In zehn Jahren wird es hier wohl anders aussehen. (Foto: imago)

Chinas Regierung erklärt eine abgelegene Gegend zur Sonderwirtschaftszone. Die Folge: Die Immobilienpreise schießen in die Höhe.

Von Christoph Giesen

Bis zum Wochenende war die Welt am Baiyang-See, 160 Kilometer südlich von Peking, noch einigermaßen in Ordnung. Ein abgeschiedener Landstrich, ab und an kamen Touristen vorbei, um die Lotusblumen zu bewundern, die auf dem Wasser schwimmen. Die "helle Perle" nennt man den See deshalb.

Damit ist es seit Samstag vorbei. Tausende Spekulanten haben sich seitdem auf den Weg gemacht. Sie alle wollen Wohnungen in der Nähe des Sees kaufen. Am liebsten in Xiongan. "Normalerweise kommen nicht sehr viele Besucher zu uns, es gibt nicht einmal eine nennenswerte Industrie hier", erzählt ein Anwohner. Doch nun stünden überall teuere Autos herum. "BMW, Mercedes-Benz und Land Rover." Einige der Autofahrer campierten gleich vor den Büros der örtlichen Immobilienmakler. Kostete der Quadratmeter vor dem Wochenende noch 10 000 Yuan (etwa 1350 Euro), sind nun mindestens 17 000 Yuan (rund 2300 Euro) fällig. Noch am Sonntag trat die überforderte Verwaltung zu einer Krisensitzung zusammen und verhängte ein vorübergehendes Kaufverbot für Immobilien.

Schuld an dem Chaos ist ein Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Sie hatte am Samstag mit viel Pathos vermeldet, dass eine neue Sonderwirtschaftszone eingerichtet wird. Ausgerechnet in Xiongan, unweit des Sees. Die neue Zone liegt auf dem Gebiet von drei Gemeinden und ist zunächst auf 100 Quadratkilometer begrenzt, mittelfristig soll aber eine Stadt mit einer Ausdehnung von 2000 Quadratkilometern entstehen. Vor allem Verwaltung aus Peking soll nach Xiongan umgesiedelt werden.

Bei Xinhua klang das aber deutlich größer: Die neue Zone sei eine "signifikant historisch und strategische Wahl". Ein "1000-jähriges Projekt". Das hat es zuletzt bei Mao Zedong gegeben. Und dann der ganz große Vergleich: "Ein weiterer neuer Bezirk mit nationaler Bedeutung wie Shenzhen and Pudong."

Shenzhen, die Metropole in Südchina, war vor 40 Jahren nicht mehr als ein Fischerstädtchen an der Grenze zur Kronkolonie Hongkong. 20 000 Einwohner lebten dort, bis Reformpatriarch Deng Xiaoping 1980 Shenzhen zum Labor der Volksrepublik erkor. Aus dem Nest wurde Chinas erste Sonderwirtschaftszone. Heute leben und arbeiten in Shenzhen mehr Menschen als im benachbarten Hongkong.

Zehn Jahre nach Shenzhen erklärte der damalige Parteichef Jiang Zemin den Shanghaier Stadtteil Pudong auf der Ostseite des Pu-Flusses zur Sonderwirtschaftszone. Seinerzeit grasten dort Schafe, heute ist Pudong Chinas Finanzdistrikt mit den höchsten Häusern Asiens, zum Flughafen fährt der Transrapid.

In den vergangenen Jahren sind einige Sonderwirtschaftszonen hinzugekommen. An den Erfolg von Shenzhen und Pudong konnten sie nicht anknüpfen. Der Grund: Lokal- oder Provinzregierungen haben sie eingerichtet - nicht Peking. Bei Xiongan ist das anders. Es ist das Projekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping höchstpersönlich, und der ist derzeit allmächtig in China.

In der amtlichen Meldung sagte Xi, die neue Zone solle eine "international erstklassige, grüne, moderne und smarte Stadt" sein. Sie solle wirtschaftlich offen und Vorbild für eine gute Verwaltung sein. Doch wie kam Xi auf die Gegend am Baiyang-See? Laut Xinhua hat er im Februar Anxin besucht, eine der drei Gemeinden, die künftig Xiongan bilden werden. Offenbar hat es ihm gefallen. Den Spekulanten, die nun vor den Maklerbüros übernachten, dürfte das herzlich egal sein.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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