China:Der Staat greift ein

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Eine Mao-Statue vor einem Stahlwerk im chinesischen Wuhan. (Foto: Wang He/Getty)

"Es ist frustrierend": Europäische Unternehmen beklagen eine systematische Diskriminierung in China. Das wirkt sich bereits negativ auf die Investitionen aus.

Von Christoph Giesen, Peking

Es war vor genau zwei Jahren, als dieser Begriff auf einmal auftauchte: "Made in China 2025". Eingeschmuggelt in den stets langweiligen Regierungsbericht, den Chinas Premierminister Li Keqiang immer zum Auftakt des alljährlichen Volkskongresses vorträgt. Die knapp 3000 Delegierten bekommen die Rede vorher ausgeteilt. Ein sachtes Rascheln erfüllt die Große Halle des Volkes jedes Mal, wenn die Abgeordneten umblättern. Erhebt der Premier die Stimme, wissen alle im Saal, jetzt muss geklatscht werden. Für einige Sekunden erklingt dann erstaunlich leiser Applaus. Nach etwa anderthalb Stunden ist alles vorbei und die selbsternannten Zhongnanhai-Wissenschaftler machen sich ans Werk. Wie einst die Kremlogen in der Sowjetunion zählen sie Wörter. Wie oft wurde die "Partei" erwähnt? Und kamen Begriffe wie "Innovation", "Umweltverschmutzung" oder "Sicherheit" häufiger oder seltener vor als in den vergangenen Berichten? Vor zwei Jahren sahen die Volkskongress-Statistiker dann zum ersten Mal "Made in China 2025".

Was als Schlagwort in der Rede des Premiers begann, ist zu einer gewaltigen Herausforderung für die ausländischen Unternehmen in China geworden. Wie drängend diese Probleme sind, zeigt nun eine Studie der EU-Handelskammer in Peking. "Die Frustration wächst und spiegelt sich im Rückgang europäischer Investitionen in China wider", warnte Kammerchef Jörg Wuttke bei der Vorstellung am Dienstag.

Zehn Branchen haben sich die Wirtschaftsplaner in Peking herausgesucht: Autos und Züge, den Flugzeugbau, die digitalisierte Produktion oder die Pharmaindustrie - überall soll die Volksrepublik bald führend sein. Mindestens acht von zehn Elektroautos, die 2025 in China verkauft werden, sollen dann aus heimischer Produktion stammen, so die Vision. Der Mechanismus ist simpel: Der Staat hilft mit umfangreicher Forschungsförderung, Entwicklungsbanken und extra eingerichtete Fonds versorgen die ausgewählten Branchen mit günstigen Krediten, das hilft vor allem beim Kauf von ausländischen Konkurrenten. Dazu kommen staatliche Vorgaben. In der Medizintechnik zum Beispiel sollen bis 2020 chinesische Hersteller 600 Milliarden Yuan (gut 80 Milliarden Euro) Umsatz erwirtschaften, fünf Jahre später sollen es dann 1,2 Billionen Yuan sein. Um diese Zahlen zu erreichen, schreibt die Regierung den staatlichen Krankenhäusern vor, welche Geräte sie kaufen sollen: In einem 2016 von der Nationalen Kommission für Gesundheit und Familienplanung in Auftrag gegebenen Katalog sind 153 medizinische Geräte empfohlen.

Kein einziges davon stammt von einem nicht-chinesischen Hersteller. Chinas Regierung wolle nach alter planwirtschaftlicher Manier wieder eine "vorherrschende Rolle" bei der Lenkung der Wirtschaft spielen, kritisiert die Handelskammer. Chinas Strategie ziele in großen Teilen darauf ab, Importe durch eigene Produktion zu ersetzen. Auch werde der Marktzugang für europäische Unternehmen erschwert. "Sie wollen ausländische Mitspieler und Importeure verdrängen", sagte Kammerpräsident Wuttke. Kritisch äußerte sich die Studie auch über die Shoppingtour chinesischer Unternehmen in Europa. "Es wirft die berechtigte Frage auf: Läuft ,Made in China' 2025 in Teilen auf eine Einkaufsliste für Technologien hinaus, die das Land nicht selber entwickeln konnte?"

Fakt ist: Chinesische Investitionen in der Europäischen Union stiegen im vergangenen Jahr um 77 Prozent auf mehr als 35 Milliarden Euro an. Vor allem in Deutschland haben die Zukäufe massiv zugenommen: Mehr als 2000 Prozent beträgt die Steigerung von 2015 zu 2016. Aufsehen erregte besonders der Einstieg beim Roboterhersteller Kuka.

Die Investitionen europäischer Unternehmen in China sind demgegenüber auf acht Milliarden Euro zurückgegangen. Das ist ein Minus von etwa zwei Milliarden Euro. Die neuen Beschränkungen hätten maßgeblich dazu beigetragen, sagte Wuttke. So wurden in den vergangenen Monaten in Windeseile Gesetze geschrieben, die etliche Unternehmen unvorbereitet trafen. Etwa eine Elektroquote, die die Autohersteller in China verpflichtet hätte, bereits von 2018 an eine Massenproduktion für Elektroautos aufzubauen - zeitlich unmöglich. Erst nach Intervention der Bundeskanzlerin wird nun erneut über den zeitlichen Rahmen diskutiert.

Skeptisch reagierte EU-Kammerchef Wuttke daher auf die Ankündigungen von Ministerpräsident Li Keqiang. Dieser hatte am Sonntag in seiner Volkskongressrede versprochen, dass ausländische Unternehmen in China "gleich behandelt" werden sollten. "Wir hören das immer wieder, aber nichts ändert sich", sagte Wuttke. Es müssten endlich Taten folgen. "Wir werden nur mit Versprechen abgespeist", klagte Wuttke. "Es ist ziemlich frustrierend."

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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