China:Aktien fürs Volk

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Wenn Kommunisten an die Börse gehen: Die Online-Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas will Aktien ausgeben. Sie braucht das Geld im Kampf gegen die private Konkurrenz.

Christoph Giesen

Chinas Kommunisten sind flexibel. Das belegen nicht zuletzt die legendären Zitate des großen Reformers Deng Xiaoping. Jedes Schulkind in der Volksrepublik muss heute seine Theorien büffeln und Sätze wie "reich werden ist glorreich" oder "es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache sie fängt Mäuse" auswendig lernen. Manche Kader in Peking können Dengs Gedanken sogar in einem Satz zusammenfassen: "Was Kommunismus ist, entscheiden noch immer wir, schließlich sind wir die Kommunistische Partei", sagen sie gerne, wenn sie zu den ideologischen Verrenkungen ihrer Partei befragt werden.

Screenshot der Seite: www.people.com.cn (Foto: N/A)

Eine Lektion im praktisch-angewandten Dengismus erteilt dieser Tage die chinesische Volkszeitung (Renmin Ribao). In ihren Leitartikeln lobpreist das Blatt den Kommunismus, sie ist schließlich das offizielle Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas. Das stört aber nicht die Online-Ausgabe der Volkszeitung. Als erstes staatliches Nachrichtenportal planen die Verlagsmanager einen Börsengang. 25 Prozent der Anteile von Chinas Online- Prawda sollen bald frei am Markt gehandelt werden. 69,1 Millionen Aktien stehen zum Kauf bereit und sollen 527 Millionen Yuan (rund 65 Millionen Euro) erlösen. Nach dem Vorstoß der Volkszeitung wird erwartet, dass bald bis zu zehn weitere staatliche Nachrichtenportale an der Börse Geld einsammeln werden. Mit den Erlösen aus dem Börsengang wollen die Manager dann die Redaktionen aufstocken und mobile Angebote entwickeln, also etwa fürs Handy.

Eigentümer der Webseite der Volkszeitung ist nicht direkt die Kommunistische Partei, Mehrheitseigner sind die staatlich kontrollierten Mobilfunkunternehmen China Mobile und China Unicom sowie die chinesische Telekom. In einem vorläufigen Börsenprospekt preisen die Verlagsmanager die Webseite als "Kommunikationsplattform", deren Stärke es sei, eine Verbindung zwischen der Regierung und den chinesischen Internetnutzern herzustellen. Das staatliche Nachrichtenportal benötige das Geld, um die Lücke zur enteilten Konkurrenz zu schließen.

Kleinlaut räumen die staatlichen Onliner in dem Prospekt ein, dass man weit hinter den Wettbewerbern Sina und Sohu liege. Alleine das Nachrichtenportal von Sina, das den populären Kurznachrichtendienst Weibo betreibt, besuchen mehr als zehn Mal so viele Internetnutzer wie die Seiten der Volkszeitung. Das Angebot der Kommunisten halten dagegen viele der rund 500 Millionen chinesischen Internetnutzer für sehr bieder, einige zweifeln sogar an den dort verbreiteten Nachrichten. Die Volks-Onliner begründen den Rückstand dialektischer: Man sei viel zu lange nicht marktorientiert gewesen, weshalb die private Konkurrenz internationale Geldgeber habe anlocken können.

Mit dem Börsengang wolle man nun selbst aktiv werden und die Lücke schließen. Getreu dem Motto "Überholen, ohne einzuholen." Aber das steht nicht im Prospekt. Diese Erkenntnis stammt auch nicht von Deng Xiaoping, sondern wurde gerne vom ehemaligen SED-Chef Walter Ulbricht verbreitet. Dessen Theorien kennt in China aber kein Mensch.

© SZ vom 11.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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