Chemie-Industrie:Die Suche nach einem Tarifabschluss

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Arbeitgeber und Gewerkschaft streben rasche Einigung an. Die Gespräche sind kompliziert.

Von Detlef Esslinger, München

In der Chemie-Industrie wollen Arbeitgeber und Gewerkschaft an diesem Donnerstag und Freitag in Wiesbaden versuchen, sich auf ein neues Tarifwerk für die 580 000 Beschäftigten zu einigen. Die Chance, dass dies gelingt, wird allgemein auf halbe-halbe veranschlagt. Falls es nicht klappt, würde es vermutlich in der nächsten Woche eine weitere Verhandlungsrunde geben. Wie in dieser Branche üblich, stehen Streiks nicht zur Debatte.

Die Verhandlungen sind kompliziert, weil die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Forderungen aufgestellt hat, unter denen eine Tariferhöhung noch der unkomplizierteste Teil ist. Sie ist nicht beziffert, sondern soll nach dem Willen der Gewerkschaft nur "spürbar und real" sein. Das würde heißen, dass sie oberhalb von 1,6 Prozent liegt, der voraussichtlichen Inflationsrate in diesem Jahr. Darüber hinaus verlangt sie für jeden Beschäftigten ein sogenanntes "Zukunftskonto". Jedem sollen jährlich zunächst 1000 Euro darauf gutgeschrieben werden. Man soll die Beträge ansparen und das Geld für verschiedene Zwecke ausgeben dürfen, für Altersvorsorge, Weiterbildung oder Gesundheitsvorsorge. Außerdem fordert die IG BCE, dass die Branche per Tarifvertrag eine Pflegezusatzversicherung einführt - als erste Branche in Deutschland überhaupt.

Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) hat die beiden letzten Forderungen ausdrücklich für sinnvoll und wünschenswert erklärt. Ihr Sozialpolitiker Lutz Mühl fügte jedoch die Frage an, die für die Arbeitgeber zentral ist: "Wer zahlt das?" Sie erklären, ihre Branche sei in der Rezession, in diesem Jahr gebe es einen Rückgang bei Umsatz und Produktion von fünf bis sechs Prozent. Öffentlich erwecken sie daher den Eindruck, eine Nullrunde anzustreben. Tatsächlich laufen jedoch seit Monaten Gespräche, um einen Kompromiss auszuloten. Die Gewerkschaft stellt die Lage ohnehin als weniger dramatisch dar. Ihr Verhandlungsführer Ralf Sikorski sagt: "Nach Jahren des All-Time-High haben wir jetzt mal kein Rekordjahr - das ist aber kein Anlass, Horrorszenarien zu malen." Mit einem Ergebnis wird nicht vor Freitagnachmittag gerechnet.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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