Chef der Deutschen Börse tritt ab:Das große Beben

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Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist es einer Gruppe überwiegend ausländischer Investoren gelungen, die Führung einer großen deutschen Aktiengesellschaft zu entmachten.

Von Lothar Gries und Helga Einecke

Im Konflikt mit der Deutschen Börse haben die neuen Großaktionäre um den britischen Hedge-Fondsbetreiber TCI einen Sieg errungen.

Ein Bild aus besseren Tagen: Werner Seifert und Rolf Breuer beim Börsengang der Deutschen Börse. (Foto: Foto: dpa)

Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, wird der seit zwölf Jahren amtierende Vorstandschef Werner Seifert das Unternehmen mit sofortiger Wirkung verlassen.

Aufsichtsratschef Rolf-Ernst Breuer wurde beauftragt, einen Nachfolger für Seifert zu präsentieren und dem Aufsichtsrat zur Bestellung vorzuschlagen. Der neue Chef soll aus einem anderen Unternehmen kommen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird Finanzvorstand Mathias Hlubek die Koordination des Vorstands übernehmen.

Auch Breuer wird verdrängt

Außerdem teilte der Konzern mit, dass auch Breuer sein Amt vorzeitig niederlegen und zum Jahresende aus dem Gremium ausscheiden wird.

Der langjährige Aufsichtsratschef wurde in der Sitzung des Kontrollorgans am Montag beauftragt. Aufsichtsrat und Vorstand an die neue Eigentümerstruktur anzupassen. Dazu werden drei Mitglieder des Gremiums ihr Amt niederlegen.

In Abstimmung mit den neuen Anteilseignern soll Breuer deren Nachfolge und die des am 25. April zurückgetretenen Lord Peter Levene zügig sicherstellen.

Breuer wurde mit den Worten zitiert, die beschlossenen Veränderungen seien nach ausführlichen Konsultationen mit den Aktionären erfolgt. "Wir wollen damit im Interesse des Unternehmens die Phase der kritischen Diskussion mit einigen Aktionären beenden."

Starker Druck von Fondsgesellschaften

Die ausländischen Investoren - neben TCI handelt es sich um die amerikanischen Fondsgesellschaften Atticus, Capital Group, Merrill Lynch Asset Management und Fidelity Investments - hatten in den vergangenen Wochen wiederholt den Rücktritt von Breuer und Seifert gefordert.

TCI hatte zuletzt den CDU-Politiker Friedrich Merz und den früheren Goldman-Sachs-Manager Richard Hayden als Nachfolger Breuers ins Gespräch gebracht. Die Führungsspitze der Deutschen Börse lehnte die Vorschläge jedoch bis zuletzt ab.

Versuche, die Kritiker davon zu überzeugen, bis zur Hauptversammlung 2006 mit den Neubesetzungen zu warten, schlugen ebenfalls fehl. Bei dem in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikt ging es zuletzt mehr um eine persönlich belastete Angelegenheit zwischen Seifert und TCI-Chef Christopher Hohn als um rationale Argumente.

Dem Vernehmen nach verfügen die neuen Großaktionäre über mindestens 35 Prozent der Stimmen. Einer Umfrage zufolge ist der Anteil heimischer Aktionäre an der Deutschen Börse auf nur noch sieben Prozent geschrumpft.

Streit um Londoner Börse

48 Prozent liegen danach in britischer Hand, weitere 29 Prozent sind in amerikanischem Besitz. Der Streit zwischen der Deutschen Börse und den Aktionären hatte sich entzündet, als Seifert Anfang diesen Jahres in einem zweiten Anlauf die Londoner Börse übernehmen wollte.

Die neuen Investoren hielten den Plan für überteuert und zwangen die Börse das Geld für den Kauf in die Taschen der Eigentümer zu leiten. 1,5 Milliarden Euro will die Börse nun ausschütten.

Welche Ziele und vor allem welche Strategie die neuen Anteilseigner verfolgen liegt noch im Dunkeln. Sie ließen aber bereits durchblicken, dass sie den Erwerb des Wertpapierabwicklers Clearstream für einen Fehler halten.

Auch kritisierten sie den Einstieg der Börse in das Geschäft mit Informationsdienstleistungen. Dies deutet daraufhin, dass die Aktionäre versuchen könnten, Einzelteile des Konzerns gewinnbringend weiter zu veräußern.

Eurex könnte verkauft werden

Schlimmstenfalls, heißt es aus einer deutschen Fondsgesellschaft, könnten die Aktionäre sich auch von den Anteilen der Deutschen Börse an der Terminbörse Eurex trennen.

Das gemeinsam mit der Schweizer Börse betriebene Segment ist der größte Gewinnbringer des Konzerns und hat sich als Weltmarktführer etabliert.

Sollte diese Option tatsächlich ausgeübt und die Eurex aus dem Konzern herausgelöst werden, würde die Deutsche Börse zur schlichten Handelsplattform für Wertpapiere zurückgestuft. Dies käme einer Zerschlagung des Unternehmens gleich.

Die Aktie der Deutschen Börse wurde zeitweise vom Handel ausgesetzt. Bei Wiederaufnahme stieg die Aktie des Dax-Mitglieds deutlich.

© SZ vom 10.05.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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