Cat-Bonds:Das Hurrikan-Jahr

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Tropische Wirbelstürme wie Hurrikan Irma gehen oft mit großen Flutschäden einher, wie hier bei diesem Motel in Florida. Mit speziellen Anleihen können diese jedoch versichert werden. (Foto: Mark Wilson/AFP)

Wer in Katastrophenanleihen investiert, muss mit einem Totalausfall rechnen. Dennoch gibt es immer mehr Investoren, die das Instrument attraktiv finden. Warum die Papiere gerade jetzt mehr Auftrieb bekommen.

Von Katharina Wetzel

Von Juni bis November ist offiziell Hurrikan-Saison. Doch dieses Jahr ist ein besonderes Jahr. Das weiß Daniel Ineichen jetzt schon. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte der Portfoliomanager von Schroder Investment Management mehr zu tun als sonst. Nicht nur Anfragen von Medien erhält Ineichen, auch Investoren suchen den Kontakt zu ihm. Darunter sind viele Pensionskassen, aber auch Privatbanken. Sie alle haben selbst oder für ihre Kunden in Fonds investiert, die aus Katastrophenanleihen bestehen. Sie alle bangen derzeit um ihr Geld.

Katastrophenanleihen funktionieren wie eine Versicherung. Investoren übernehmen dabei die Schadensrisiken von Versicherern, die bei großen Katastrophen wie Hurrikans entstehen. Dafür erhalten sie eine Prämie. Tritt jedoch die Katastrophe ein, stehen sie für den versicherten Schaden ein.

Harvey, Irma, Maria und jetzt auch noch Nate? So eine Hurrikan-Situation wie 2017 gibt es nur alle 250 bis 300 Jahre, sagt Ineichen: "Die Wahrscheinlichkeit für ein Jahr mit drei Hurrikans, die einen versicherten Schaden von jeweils mehr als 20 Milliarden US-Dollar verursachen, liegt bei ungefähr eins zu 250 bis 300." Statistik gehört zu Ineichens Geschäft. "Die meisten Hurrikans gehen nicht auf Land. Dieses Jahr trafen jedoch gleich vier auf Land. Das ist deutlich höher als der Durchschnitt." Der Manager beobachtet die Wetterphänomene sehr genau, gibt die neusten Forschungsdaten in seine Modelle ein und berechnet die Risiken täglich neu.

Noch stehen die Schäden der Hurrikans, nicht genau fest. Doch Ineichen kennt die Schätzwerte. Die durch Hurrikan Harvey verursachten Flutschäden in Texas betragen fast 100 Milliarden US-Dollar, abgesichert sind 20 bis 25 Milliarden US-Dollar. Bei Hurrikan Irma, der am 10. September in Florida an Land ging, beträgt der versicherte Schaden zwischen 20 und 40 Milliarden, der ökonomische 50 bis 80 Milliarden US-Dollar. Und in Puerto Rico und anderen karibischen Inseln, wo Maria wütete? "Hier ist der Wiederaufbau teurer, da alles importiert werden muss." Auch hier sind die Schäden extrem hoch. Nate, der am Sonntag auf die Küste von Louisiana traf, dürfte da in der Versicherungsbilanz vergleichsweise geringe Spuren hinterlassen.

Die Papiere schwanken kaum. Bis eine Katastrophe eintritt. "Dann geht die Post ab."

Trotz der immensen Schäden geht Ineichen davon aus, dass Katastrophenanleihen-Portfolios nur zwei bis drei Prozent Ausfälle haben werden. Denn gerade Fondsinvestments können so breit gestreut werden, dass sie ganz verschiedene Naturkatastrophen abdecken. Insgesamt sind weltweit etwa 30 Milliarden US-Dollar in Katastrophenanleihen investiert. "Das Kapital der Investoren kommt zum größten Teil von Fonds, die auf diese Anlageklasse spezialisiert sind", sagt Alexander Braun, Professor für Risikomanagement an der Universität St. Gallen.

Braun forscht seit acht Jahren über Katastrophenanleihen und hat auch selbst in die Produkte investiert. "Zeitweise können die Preisschwankungen eines solchen Papiers so harmlos aussehen wie bei einer Staatsanleihe", sagt der Wissenschaftler. Bis eine Katastrophe eintritt. "Dann geht die Post ab." Denn bis Versicherer dann die genaue Schadenhöhe festgestellt haben, kann es Monate dauern. Solange wissen Anleger nicht definitiv, ob sie ihr Geld teils oder ganz verlieren. Dies sorgt für Unsicherheit, manche verkaufen die Papiere mit massiven Abschlägen vor lauter Angst, alles zu verlieren, andere wie etwa Spekulanten und Hedgefonds sehen gerade dann ihre Chance für einen guten Einstieg.

"Weltweit gibt es bereits über 50 Fonds. Nicht alle sind aber für Privatanleger geeignet und zugänglich", sagt Braun. Einige Anbieter wie Plenum Investments, LGT Liechtenstein und die Falcon Private Bank bieten etwa auch Privatanlegern Investments an. Der Großteil ist aber institutionellen Anlegern wie Pensionskassen vorbehalten. "Einige Schweizer Pensionskassen legen bis zu sechs Prozent ihrer Anlagen in Cat-Bonds an", sagt Daniel Grieger von Twelve Capital in Zürich, einem wichtigen Standort der Branche. In Zeiten niedriger Zinsen locken die guten Renditechancen. "Je nach Risikoprofil des Fonds erzielten Katastrophenanleihen zwischen vier bis acht Prozent Wertentwicklung pro Jahr", sagt Grieger. Bisher haben Anleger auch selten Geld verloren. "Beim Erdbeben in Mexiko ist ein Cat-Bond komplett ausgefallen. Der mexikanische Staat erhält nun dadurch eine Auszahlung von 150 Millionen Dollar, um die Schäden an der Infrastruktur zu beheben", sagt Grieger. Dennoch habe sich die Anlageklasse bewährt, meint der Experte. "Die historische Ausfallrate von Katastrophenanleihen entspricht nur 0,92 Prozent des Gesamtmarktes." Doch gilt dies auch noch nach diesem Jahr? Sicher ist das nicht.

Investoren schätzen aber auch noch etwas anderes. "Die Instrumente weisen in aller Regel sehr geringe Rendite-Korrelationen zu klassischen Anlageformen wie Aktien und Anleihen auf. Das ist das große Plus", sagt Wissenschaftler Braun. Eine Naturkatastrophe löst eben keinen Crash am Aktienmarkt aus. Beim Erdbeben 1906 in San Francisco und dem dadurch ausgelösten Feuer wurde ein Großteil der Stadt zerstört. Es kam damals auch zu Effekten an den Kapitalmärkten, ähnlich wie nach dem Erdbeben von Kobe 1995. Dies waren jedoch Ausnahmeszenarien. Bei den diesjährigen Hurrikans blieben große Kapitalmarktreaktionen aus. Zu Marktverwerfungen an den Börsen käme es nur, wenn etwa Ballungszentren betroffen wären, die für einen Großteil der Wirtschaftsleistung eines Landes sorgen, sagt Braun.

Ein Problem sei jedoch, dass Investoren vorwiegend Anleihen auf amerikanische Risiken bekämen. "Die Hauptrisikoregionen mit hohen Versicherungswerten sind New York, Florida und Kalifornien", bestätigt Ineichen. Dagegen sind ärmere Regionen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, oft nicht gut versichert. Katastrophen-Bonds könnten diese Lücke teils schließen, meint Braun. Der Handlungsbedarf ist groß: "Arme Länder werden durch Naturkatastrophen in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen. Die durch das große Erdbeben von 2010 in Haiti verursachten ökonomischen Schäden etwa radierten mehr als ein ganzes Jahr an Wirtschaftsleistung aus." Die Weltbank schätzt, dass durch Naturkatastrophen jährlich etwa 26 Millionen Menschen weltweit unter die Armutsgrenze fallen.

Die Bonds finden auch in der Entwicklungshilfe immer mehr Anhänger

Aus der Ebola-Krise wurde bereits die Lehre gezogen. So hat die Weltbank zusammen mit den Rückversicherern Swiss Re und Munich Re einen 500 Millionen US-Dollar schweren Pandemie-Fonds aufgelegt, der den ärmsten Ländern der Welt Hilfezahlungen bei sich ausbreitenden Infektionskrankheiten bieten soll. "Wir können bei Ausbruch einer Pandemie sehr rasch helfen, viel schneller, als die internationale Gemeinschaft darauf reagieren könnte", sagt Jean-Louis Monnier von SwissRe.

Wissenschaftler Braun begrüßt den Einsatz der Bonds in der Entwicklungshilfe. So vorzusorgen, sei effizienter, als hinterher auf Steuergelder zurückzugreifen. "Anleger profitieren von attraktiven Risikoprämien. Gleichzeitig verhelfen sie mit ihrem risikotragenden Kapital ganzen Gesellschaften zu einer höheren Resilienz gegen Naturkatastrophen." Auch für die Versicherer und Rückversicherer haben die Instrumente Vorteile. "Katastrophenanleihen zu emittieren, wird zunehmend günstiger und ist häufig preislich attraktiver, als beim Rückversicherer eine Deckung einzukaufen", sagt Braun. Swiss-Re-Experte Monnier würde sich bei einer Katastrophe auch nicht allein auf die eigene Branche verlassen wollen. Das ging in der Vergangenheit gehörig schief. So entstand in den 90ern das Segment. Aus der Not heraus.

"Man investiert nicht in Katastrophenanleihen, um wohltätige Zwecke zu verfolgen. Die Anlageklasse ist aber ein ethisch sehr sauberes Investment, das gute Renditen abwirft", meint Ineichen. Er hat keine Angst, dass seine Investoren bald nicht mehr in seine Portfolien investieren. Einige haben sogar jetzt zugekauft. Nach großen Katastrophen steigen die Prämien, Ineichen schätzt nun "um mindestens 15 bis 20 Prozent". Denn wenn Versicherer für die Schäden aufkommen müssen, wird Kapital gebraucht. Und die erhöhte Nachfrage treibt den Preis.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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