Carlos Ghosn:Zurück in die Zelle

Lesezeit: 2 min

Wegen neuer Vorwürfe muss Carlos Ghosn wieder in Haft. Nebenbei unterbindet Japans Justiz damit auch eine PR-Offensive des Ex-Chefs von Nissan und Renault.

Von Leo Klimm, Paris

Die Affäre um Carlos Ghosn weitet sich aus: Der über Untreue-Vorwürfe gestürzte Ex-Chef von Nissan und Renault wurde am Donnerstag abermals in Japan verhaftet. Es liege ein neuer Verdacht gegen Ghosn vor, so die Staatsanwaltschaft. Diesmal legt sie dem früheren Starmanager zur Last, umgerechnet fünf Millionen Dollar an Unternehmensgeldern von Nissan für eine Firma abgezweigt zu haben, die Ghosn praktisch selbst geführt habe.

Medienberichten zufolge floss das Geld über einen Renault-Nissan-Händler im Sultanat Oman an ein Unternehmen im Libanon, der Heimat von Ghosns Vorfahren. Diese Firma wiederum soll über Jahre hinweg mehrere Dutzend Millionen Euro empfangen haben, die von Nissan und Renault stammten. Das Geld, so der Verdacht, könnte Ghosns Familie für den Kauf einer Yacht und zur Finanzierung eines Start-ups seines Sohnes Anthony missbraucht haben.

Die lebenslange Sonderrente in Höhe von jährlich 780 000 Euro wird gestrichen

Ghosn, der im November schon einmal wegen anderer Vorwürfe festgenommen wurde, war Anfang März gegen Zahlung einer Kaution von umgerechnet acht Millionen Euro aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Durch seine erneute Verhaftung unterbinden die japanischen Staatsanwälte nun auch eine Kommunikationsoffensive, die Ghosn in eigener Sache gestartet hat: Der 65-jährige Manager - einst formte er die Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi zu einem der größten Autohersteller der Welt - hatte jüngst für den 11. April eine Pressekonferenz angekündigt. "Ich bereite mich darauf vor, die Wahrheit zu sagen über das, was passiert", schrieb Ghosn im Kurznachrichtendienst Twitter. Zu der Pressekonferenz dürfte es jetzt nicht mehr kommen. Mit dem Tweet könnte Ghosn zudem die Auflagen für seinen Freigang verletzt haben, die unter anderem die Internetnutzung verbieten.

"Meine Festnahme ist empörend und willkürlich", erklärte Ghosn in einer schriftlichen Mitteilung. "Ich bin unschuldig." Wie schon nach seiner ersten Verhaftung wittert der gefallene Konzernboss eine Verschwörung von Nissan-Managern gegen ihn. Sein Anwalt sprach von einer "Geiseljustiz", die nur dazu diene, ein Geständnis zu erzwingen. Auf einen Appell Ghosns an Frankreich, sich für ihn in seiner Eigenschaft als französischer Staatsbürger einzusetzen, reagierte Paris kühl: Der Manager sei "ein Bürger wie jeder andere" und erhalte die übliche konsularische Hilfe, sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire.

Carlos Ghosn am Mittwochabend in Tokio. Kurz darauf wurde er erneut verhaftet. (Foto: CharlyTriballeau/AFP)

Ungeachtet der neuen Vorwürfe von Donnerstag hat die japanische Justiz bereits in mehreren Punkten Anklage gegen Ghosn erhoben. Er soll unter anderem umgerechnet 70 Millionen Euro an Einkünften vor der Tokioter Börsenaufsicht verheimlicht haben. Zudem soll er private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Wann der Prozess beginnt, steht nicht fest.

Auch der Renault-Konzern, der nach der ersten Festnahme in Japan erst an dem Konzernlenker festhielt, fand in einer internen Untersuchung inzwischen "anfechtbare und versteckte Praktiken" des Ex-Chefs. Auch hier geht es um Firmengeld, das über Oman in den Libanon geflossen ist. Frankreichs Justiz ermittelt außerdem bereits wegen des Verdachts, dass Ghosn seine pompöse Hochzeit mit seiner zweiten Frau auf dem Königsschloss von Versailles aus der Konzernkasse bezahlen ließ. Eine niederländische Tochterfirma von Renault und Nissan wiederum soll "zweifelhafte Zahlungen" in Millionenhöhe an Ghosn-Vertraute geleistet haben.

Stand der Renault-Verwaltungsrat zu Anfang des Skandals noch treu zu dem Manager, zeigt er sich nun umso strenger. Das Gremium strich Ghosn jetzt die Ansprüche auf eine lebenslange Sonderrente. Sie belaufen sich auf 780 000 Euro jährlich. Ghosns reguläre Rente in Höhe von 14 000 Euro monatlich bleibt davon unberührt. Bereits im Januar hatte der Verwaltungsrat die Vergütung des Ex-Konzernchefs für das Jahr 2018 um acht Millionen Euro gekürzt. Weitere vier Millionen Euro wurden einbehalten, die einen Wechsel Ghosns zu einem Wettbewerber verhindern sollten. Dieses Risiko wird heute offensichtlich als gering eingestuft.

Schließlich schied Ghosn diese Woche in Abwesenheit aus dem Verwaltungsrat aus, nachdem er im Januar bereits als Renault-Chef zurückgetreten war. Neu in das höchste Konzerngremium berufen wird dafür Annette Winkler, die Ex-Chefin von Smart, der Daimler-Marke für Kleinautos.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: