Carlos Ghosn:Millionen zum Abschied

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Für 14 Jahre stand Carlos Ghosn an der Spitze von Renault, Nissan leitete er sogar 19 Jahre lang. (Foto: Joel Saget/AFP)

Der ehemalige Starmanager tritt auch als Renault-Chef ab. Erledigt ist die Sache für den Autokonzern damit aber nicht. Denn Ghosn könnte noch mal abkassieren.

Von Leo Klimm, Paris

Carlos Ghosn ist nicht mehr Renault-Chef. Das schwierige Kapitel um den gefallenen Starmanager ist für den französischen Autohersteller damit aber noch nicht beendet: In Frankreich ist eine Debatte um die Abfindung entbrannt, die Ghosn jetzt noch einstreichen könnte.

Der in Japan inhaftierte Ghosn war nach 14 Jahren an der Konzernspitze in der Nacht zu Donnerstag zurückgetreten. Zuvor hatte der französische Staat, mit 15 Prozent der Anteile der Renault-Hauptaktionär, seine Ablösung forciert. Einige Stunden später ersetzte der Verwaltungsrat Ghosn durch eine Doppelspitze: Neuer Renault-Präsident ist der 65-jährige Jean-Dominique Senard, der zumindest bis Mai parallel seine bisherige Aufgabe als Chef des Reifenherstellers Michelin behalten soll. Thierry Bolloré, 55, bisher Ghosns Vize, leitet als Generaldirektor das Tagesgeschäft. Die Frage, wie viel Geld Ghosn nach seinem Rücktritt noch von Renault zusteht, hat der Verwaltungsrat am Donnerstag dagegen noch nicht entschieden.

Die japanische Justiz wirft dem 64-jährigen Manager unter anderem vor, der Börsenaufsicht über acht Jahre hinweg Bezüge in Höhe von umgerechnet 70 Millionen Euro verheimlicht zu haben. Das Geld hatte er vom Renault-Schwesterkonzern Nissan erhalten, dem er 19 Jahre lang vorstand - bis er im Zuge des Skandals im November abberufen wurde. Ghosn bestreitet die Vorwürfe; ihm drohen 15 Jahre Haft.

Französische Gewerkschafter wie auch Aktionärsvertreter fordern vor dem Hintergrund des möglichen Finanzbetrugs nun, ausstehende Zahlungen von Renault an Ghosn auf ein Minimum zu beschränken. Fabien Gâche, der die Gewerkschaft CGT bei Renault vertritt, sprach von "unanständig hohen Summen, da wir hier über 25 bis 28 Millionen Euro reden. Das ist Wahnsinn." Ghosn, der bei Renault und Nissan zuletzt zusammengenommen 15 Millionen Euro pro Jahr verdiente, dürfe nicht mehr erhalten als ihm rechtlich zustehe.

Wie viel das wäre, ist aber nicht leicht zu beurteilen. Die von Gâche genannten Ansprüche in Höhe von 25 bis 28 Millionen Euro sind jedenfalls nur eine theoretische Größe: Sie galten für den Fall, dass Ghosn seinen Vertrag bei Renault bis zum Jahr 2022 erfüllt. Klar ist, dass Ghosn für 2018 Anrecht auf seine festen Bezüge in Höhe von etwa einer Million Euro hat. Außerdem kann er von Renault ab März, wenn er 65 Jahre alt wird, eine Rentenzahlung von jährlich 800 000 Euro verlangen.

Fraglich sind dagegen alle variablen Gehaltsbestandteile für 2018, die weit mehr ausmachen als das Fixum. Sie hängen von den Gewinnen des Herstellers ab - und von der Anwesenheit des Renault-Chefs im Unternehmen. Ghosn aber sitzt seit Mitte November in Untersuchungshaft. Die Firma Proxinvest, die Renault-Aktionäre berät, verlangt deshalb, Ghosn die Aktienoptionen zu streichen. Insgesamt könnten dem Autoboss wegen seiner unfreiwilligen Abwesenheit so kumulierte Aktienoptionen im Wert von mehr als 21 Millionen Euro entgehen, legt man den aktuellen Kurs der Renault-Anteile zugrunde.

"Als Ankeraktionär werden wir genau auf die Bedingungen der Trennung achten, die vom Verwaltungsrat festgelegt werden", sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Donnerstag. Und im Umfeld der neuen Renault-Spitze beeilte man sich zu erklären, man wolle "die Ansprüche so stark wie möglich beschränken". In jedem Fall muss die Entscheidung des Verwaltungsrats über die variablen Bezüge von der Renault-Hauptversammlung im Frühjahr gebilligt werden. Schon im vergangenen Jahr, also vor dem Skandal, war dieser Teil von Ghosns Vergütung nur mit knapper Mehrheit bestätigt worden.

Ungeachtet der ungelösten Vergütungsfrage bemühte sich der neue Konzernlenker Senard an seinem ersten Tag schon, den Ghosn-Skandal hinter sich zu lassen: Er betonte die Bedeutung des Bündnisses von Renault und Nissan. Zuletzt hatte das Verhältnis der beiden Hersteller stark unter dem Skandal gelitten. "Wir können nicht allein bleiben", sagte Senard. "Die Allianz ist unentbehrlich."

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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